Volltext: Der Naturarzt 1889 (1889)

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Ich habe seinerzeit (Nr. 3 des vor. Jahrganges d. Zeitschrift) mit den 
Bedenken nicht zurückgehalten, welche der plötzlichen Ganzbenässung in Form 
einer Leintuchabreibung für Kranke entgegenstehen. Für Gesunde — und 
nur solche werden ohne Schaden und mit Erfolg ein Flußbad benützen — 
liegt die Sache anders. Der Schlag, den die Nerven beim Sprunge ins 
Wasser erhalten, ist nicht nur ganz ungefährlich, sondern gerade er fordert die 
Reaktionskraft des Körpers in ganz anderer, kräftigerer Weise heraus, als 
das allmähliche, stets unangenehm zur Empfindung gelangende Hineinsteigen 
ins Wasser. 
b. Man gehe weder mit erhitzten Lungen noch aufgeregt ins 
Bad. Wo Blutandrang nach lebenswichtigen Organen besteht, wie dies bei 
-Erhitzung der Lungen, bei Ärger, nach dem Genuß von Spirituosen rc. der 
Fall ist, führt der beim Sprunge ins Wasser auf das Blut ausgeübte Stoß 
zu einem so erheblichen Ueberdruck in den Blutgefäßenderbetreffenden Organe, 
daß Berstungen feiner Äderchen und Blutergüsse (Schlagfluß) die Folge fein 
können. Dagegen nehme man keinen Anstand, mit schwitzender Haut ins 
Wasser zu gehen, sobald nur der Schweißausbruch nicht die Folge von An 
strengung (schneller Bewegung) ist. Gerade bei schwitzender Haut wirkt das 
iühle Bad außerordentlich wohlthätig und wirksam. 
o. Im Bade bewege man sich tüchtig, schwimme, springe und 
reibe die Haut, um den Körper in dem Bestreben nach ausreichender 
Wärmeerzeugung zu unterstützen. Ich habe in jedem Sommer Gelegenheit zu 
beobachten, wie vorteilhaft das Schwimmen auf die Haltung und die Ent 
wickelung des Brustkorbes bei hoch aufgeschossenen Kindern mit schlechter 
Körperhaltung wirkt. Der Grund ist leicht ersichtlich. Jeder Schwimmstoß 
verlangt ein Hervorwölben der Brust und das Einziehen des Kreuzes; außer 
dem muß der Schwimmende regelmäßig und tief atmen. Man sollte da 
her mit dem Schwimmenlernen möglichst früh, mit dem 7. oder 8. Jahre, 
anfangen. Nur wasserscheue Kinder machen in diesem Alter Schwierigkeiten. 
Sind dagegen die Kinder von Jugend auf an regelmäßige kühle Abwaschungen 
gewöhnt, und übt man die Schwimmbewegungen vorher auf dem 
Lande, um die Kinder während der Erklärung derselben nicht zu lange an der 
Leine lassen zu müssen, so erlernt sich das Schwimmen in diesem Alter leicht 
und schnell. 
ä. Nach dem Bade trockne man sich rasch ab, frottiere den 
Körper tüchtig und sorge für die nöthige Wiedererwärmung, aber 
nicht etwa mit Hilfe eines Schnäpschens oder eines Glases Bier, sondern da 
durch, daß man den unbekleideten Körper 10, 15, 20 Minuten lang von der 
Sonne bescheinen läßt und während dessen turnerische Übungen macht. 
Selbst wenn sich die Sonne hinter Wolken verbirgt, ist ihre belebende Wirkung 
zu spüren. Man braucht nach dem Bade nur in den Schatten zu treten, 
und wird den Unterschied zwischen diesem und den durch die Wolken wirkenden 
Sonnenstrahlen sofort wahrnehmen. — „Wasser thut's freilich, doch höher steht 
die Luft, am höchsten aber das Licht (Rikli)." Was vor dem Bade gethan, 
-die Wirkung desselben beeinträchtigt, unterstützt schon demselben den Eintritt der 
Reaktion; die Luft wirkt nicht mehr abkühlend, sondern im Vereine mit den 
Sonnenstrahlen nervenanregend. Die Haut nimmt im Verlaufe weniger Mi 
nuten jenes zarte Fleischrot an, welches als Kennzeichen einer gesunden Haut 
gilt; sie quillt förmlich auf, und ein behagliches Wärmegefühl durchströmt die 
Glieder. Wie lebhaft die Ausscheidung durch die starkdurchblutete Haut vor sich 
geht, läßt sich durch den Geruchssinn deutlich wahrnehmen. Der Kopf kann 
Mährend des Sonnenbades durch einen leichten Strohhut geschützt werden, ob-
	        
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