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des Mundes stets Verschlimmerung derselben gefunden habe, und daß die Aetzung mit
Arsenikpaste, sowie das Zahnausziehen von einem Naturheilkundigen ganz verworfen,
und nicht noch im „Naturarzt" dazu aufgefordert werden müßte, wir wollen dem perrn.
Naturheilkundigen gern glauben, daß er in den seltenen Fällen, wo er Gelegenheit ge
habt, solche Fälle zu behandeln, keinen günstigen Erfolg von den Mundspülungen gehabt
hat, doch geben wir ihm zu bedenken, daß wir nicht für jeden Zahnschmerz dieselben
empfohlen haben, und daß es stets sehr viel darauf ankommt, wie die Mundspülungen
angewandt werden. Mir haben gesagt, daß diese warmen Mundausspülungen nur
bei denjenigen Fällen von Zahnschmerzen anzuwenden und von außerordentlich
günstigern Erfolg seien, in welchen es sich um eine Entzündung der Zahnwurzel
haut handelt, und wenn wir hinzufügen, daß wir innerhalb 30 Jahren, in denen
wir uns sehr angelegentlich mit der Zahnheilkunde beschäftigten, in vielen Tausen
der: von Fällen damit reüssirt haben, dann werden die Paar Fälle des perrn
Korrespondenten, wobei die Mundsxülungen möglicherweise irrthümlich oder fehlerhaft
empfohlen und angewendet worden sind, wohl nicht in die Waagschale fallen. Wenn
wir auch in mancher Beziehung dem allgemein von unserer Seite angenornmenen
Grundsatz das Wort reden, daß der Naturheilkundige keine allzu genaue Diagnose zu
stellen brauche, so verlangen wir doch von einem tüchtigen Vertreter der Naturheilkunde,
daß er vor allen Dingen die Ursachen der Krankheiten zu. ergründen sucht, weil er
darnach seine Behandlungsweise einrichten muß. Nach des Anfragenden Ansicht scheinen
nun aber die Zahnschmerzen alle ein und dieselbe Ursache zu haben, daher empfiehlt er
uns Ableitungen durch Halsumschläge und Beinpackungen. Diese Art und weise.
Kranke zu behandeln, nennen wir aber: nach einer Schablone Kuriren, die wohl dem
Handwerker, aber nicht dem Arzt erlaubt ist. Die von ihm empfohlenen Ableitungen
sind höchst zweckmäßig und gewiß auch von Erfolg, wenn es sich um eine Wurzelhaut
entzündung handelt, haben aber durchaus keine Wirkung und können auch keine haben,
wenn wir es mit einem durch Luft und Speisereste rc. gereizten, bloßliegenden Nerven
zu thun haben. In Bezug auf den Vorwurf, daß wir die Aetzung des Nerven mit
Arsenikxaste empfehlen, und noch dazu im „Naturarzt", müssen wir dem Anfragenden
mittheilen, daß wir während der \o Jahre unserer ärztlichen Praxis, wo wir mit Arz
neien die Krankheiten zu heilen versuchten, kein einziges Mittel im ganzen Arzneischatz
kennen gelernt haben, das so sicher den Schmerz vertreibt, und zwar gründlich und für
immer, wir haben aus Ueberzeugung eine sehr gute medizinische Praxis aufgegeben,
weil wir das Unsichere der Arzneien erkannten, und daß Alles nur ein Tappen im
Dunkeln und Probiren fei, ja wir perhorresziren jede innere Anwendung von Medika
menten, aber wir können uns nicht an die Seite der Ultrafanatiker stellen, die auch die
äußere Anwendung und jeden chirurgischen Eingriff vermieden wissen wollen, wir be
trachten die Aetzpaste als ein äußerliches Mittel, da nur ein Minimum derselben in
den hohlen Zahn gebracht, die Höhle dann mit weichem wachs geschloffen und das
Ganze am andern Tage entfernt wird, wonach jeder Schmerz verschwunden ist. Man könnte
nun hiergegen einwenden, daß ein Theil der Paste von den durch den Wurzelkanal ver
laufenden Lymphgefäßen aufgesogen werde, allein dies geschieht während der kurzen
Dauer der Anwendung in einem so geringfügigen Maße, daß wir bei vielen Tausenden
von Fällen nie auch nur die geringste Benachtheiligung der Patienten gesehen haben.
Sollen wir uns nun aus reiner Opposition und aus reinem Fanatismus eines Mittels
berauben, von dem wir aus zojähriger Erfahrung wissen, daß es auf der einen Seite
bestimmt hilft und auf der andern Seite nichts schadet? Dies erscheint uns gerade so, als
wenn wir bei einem Abszeß, bei welchem der Eiter in der Tiefe sitzt und dem Patienten
Tage und Nächte lang bis zur Selbstöffnung unsägliche Schmerzen bereiten würde, nach
Ansicht der Wasserfanatiker keinen chirurgischen Einschnitt machen dürften.