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rauhen Lust, und zwar, wie ich in einer zehnjährigen Landpraxis gefunden habe,
besonders im Februar. Auffallend ist es mir gewesen, daß gerade die gegen
athmosphärische Einflüsse so widerstandsfähigen Landbewohner am meisten von
diesen Krankheiten heimgesucht werden, denn keine andere Krankheit hat so oft
mein Zuhülfegerufenwerden nach dem Lande hin veranlaßt, als die Entzündung
der Lunge.
Keine andere Krankheit bietet so geeignete Gelegenheit, die Vorzüge der einen
oder andern Lehandlungsweise dagegen zu prüfen, und zwar aus dem Grunde,
weil die Patienten, durch Schmerzen und Athemnoth gedrängt, eiligst zum Arzt
schicken, so daß man in den meisten Fällen von vornherein es mit einem ganz
frischen und nur höchst selten mit einem verschleppten oder vernachlässigten Krank
heitsfall zu thun hat.
Seit Beginn meiner Studien vor 60 Jahren hat die medizinische Lehand-
lungsweise dieser Krankheiten eine bedeutende Veränderung erlitten, denn während
man bis vor etwa 40 Jahren ungeheuer blutdürstig war, d. h. 3—4 Aderlässe
und 30—40 Blutigel und blutige Schröpfköpfe anwandte, außerdem aber noch
die armen Kranken mit Blasenpflastern und Gensteigen malträtirte, wird jetzt nur
auf Veranlassung der Wiener Schule, die, durch das Beispiel der Homöopathen
belehrt, versuche mit und ohne Blutentziehung anstellte, nur dann Blut vergossen,
wenn die höchste Erstickungsgefahr droht. Ich will hier nicht von den Arzeneien
sprechen, die man gegen die Lungenentzündungen angewendet hat und noch an
wendet, von dem Salpeter, dem Brechweinstein, dem Kalomel, dem Fingerhut,
dem Chinin, dem Antipyrin rc., deren Anwendung darauf hinausläuft oder viel
mehr hinauslaufen soll, das erhitzte Blut zu kühlen und von dem bedrohten Organ
durch Anregung der Darmthätigkeit abzuleiten, oder den puls zu verlangsamen
und das Fieber zu mildern. Die schon erwähnten Blutentziehungen wurden eben
falls nur deshalb gemacht, um das in dem entzündeten Organ massenhaft an
gehäufte Blut von dort abzuziehen. Alan bedachte aber und man bedenkt auch
heute noch nicht, daß man durch die früheren Blutentziehungen und jetzt noch
durch die Anwendungen von Lymphe entziehenden Blasenpflastern, Einreibungen
von Pustelsalben, Senfpflaster und durch das Verschlucken von abführenden und
schwächenden Mitteln die Patienten so herunterbringt, daß sie sich oft nach 4 Wochen
kaum, wenn überhaupt je, erholen, während mir in einer ziemlich reichen Zahl
von Fällen, nach der Naturheilmethode behandelt, kein einziger bekannt ist, —
vorausgesetzt, daß ich den Patienten von vornherein in Behandlung bekam — in
dem nicht der Kranke schon nach 6—8 Tagen bei einigermaßen gutem Wetter ins
Freie gehen konnte. Wenn ich nun noch ferner hinzufüge, daß mir stein einziger
so steh andrster Kranker gestorben ist, wobei ich auf den von mir in Nr. 1 des
Jahrgangs 1886 angeführten Fall verweise, in welchem die Patientin von ihrem
Pausarzt aufgegeben und von mir nur mit Widerstreben in Behandlung genommen
und schließlich gerettet wurde, so möchte man den Einwand erheben, daß, da im
Ganzen genommen nur wenige an diesen Krankheiten sterben, ich das Glück gehabt
hätte, nie einen sehr gefährlichen Fall in Behandlung zu bekommen; aber ich gehe
noch weiter und behaupte, daß stein an Lungenentzündung Erkrankter,
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