Volltext: Der Naturarzt 1888 (1888)

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Verkehrshindernisse brachten mich erst am sO. März zu Mittag an das 
Krankenlager. Lin mittlerweile herbeigeholter Arzt wurde verständigt, daß 
Patient naturgemäß behandelt werden will, daß man um mich telegraphirt hat, 
und ersucht, Fürsorge zu tragen, daß bis zu meiner Ankunft das Nebel nicht 
überhand nehme. 
Derselbe griff seit vier Tagen ganz kunstgerecht ein, ließ Blutegel anlegen, 
gab gegen das Fieber Chinin und auch Digitalis, und oft gewechselte Eis- 
umschläge, aber blos auf den Kopf und auf den einen entzündeten Lungen 
flügel. 
Patient hatte daher bei meiner Ankunft nach Celsius nur 39V2 Grad 
Temperatur, phantasirte nicht mehr, was er früher, bei großer Unruhe, zwei Tage 
und Nächte hindurch gethan hat, hüstelte aber fast ununterbrochen, spuckte 
bei stechendem Schmerz in der Lunge viel frisches Blut aus, und war sehr- 
geschwächt. 
In meinen: Beisein konstatirte der Arzt, daß sich die Entzündung aus den: 
untersten Zipfel des Lungenflügels nach oben erstrecke und noch immer im 
Zunehmen sei. 
Die vorgefundenen Uebelstände schrieb ich eines Theils den nur schwächenden 
medizinischen Eingriffen, und hauptsächlich den blos lokalen Umschlägen und ihrer 
Eistemperatur zu, welche einseitige und zu heftig wirkende Anwendung, vermöge 
der zu großen Rückwirkung, den Blutandrang in die Lunge nur vermehren 
mußte. Weil mir der Arzt als ein in seinem Fache tüchtiger, humaner und 
allbeliebter Mann bekannt war, unterließ ich es, ihm meine Ansicht mitzutheilen, 
welche ihn aller Wahrscheinlichkeit nach unliebsam berührt hätte. 
Um die Poren zu öffnen und zugleich die Nerven zu beleben, anzuregen, 
ließ ich vor allem Anderen eine kühle partieweise Abwaschung geben. Nach 
einiger Ruhe wurde ein laues Lavement mit Erfolg angewendet, auf welches 
eine Ganzpackung erfolgte, in welcher sich Patient wohl befand und 2'/^ Stunden 
lang bis zur guten Erwärmung verblieb. Darnach wurde Patient, weil zu einem 
Halbbade keine Wanne vorhanden war, in ein nach Neaumur mit 20grädigem 
Wasser halb gefülltes rundes Schaff gestellt und darin mit diesem Wasser ab 
gerieben, zugleich aber am Oberleib fortwährend mit 2Hgrädigem Wasser über 
schüttet. Auf die Nacht wurden erregende naßkalte Brust-, Leib-, Waden- und 
Fuß-Umwickelungen angewendet, welche Patient, bei einer besseren Nacht als 
die vorigen Nächte waren, bis früh gut vertragen hat. 
Mit diesen Anwendungen wurde auch in den nächsten drei Tagen fortge 
fahren. Die Lavements wurden, um auch zu kühlen und ableitend zu wirken, 
täglich zweimal, sowie auch die Ganzpackungen gegeben, in welch Letzteren 
schon am zweiten Tag ein ausgiebiger Schweiß erzielt wurde. Patient ist oft 
mit frischem Trinkwasser, mitunter auch mit Limonade regalirt worden, und 
mußte anfangs, auch ohne Appetit, täglich dreimal kalte frische Milch mit einigen 
Bissen Brod zu sich nehmen. 
Am dritten Tag merkten wir in allen Symptomen schon eine entschiedene 
Besserung, da auch die Entzündung sich nicht mehr verbreitete. 
Daher erschreckte mich in der darauf folgenden Nacht ein stürmisches 
Wecken von Seiten der Wärterin nicht wenig. Patient wurde wieder sieberisch,
	        
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