Volltext: Der Naturarzt 1887 (1887)

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Das Befinden des kranken besserte sich zusehends und nachdem er etwa 2 
Monate lang meine Vorschriften gewissenhaft befolgt hatte, konnte er sich als voll 
ständig genesen vorstellen. 
Ich freue mich, wieder einen Sieg der Naturheilmethode gegenüber der 
medizinischen Krankenbehandlung melden zu können. 
Giebt es ansteckende Krankheiten und stiichtige Contagien? 
Von Adolf Graf von Zedtwitz. 
Diese Frage mag wohl recht absurd erscheinen, denn bekanntlich führt die herrschende medici- 
nische Schule alle Epidemien auf specifische Contagien zurück, über deren Natur man sich lange 
Zeit gestritten, oie man aber jetzt allgemein in verschiedenartigen kleinen Pilzen, Bacterien, Bacillen, 
Loccen genannt, gefunden haben will, Fast jeder Tag bringt uns die erfreuliche Kunde von einem 
neu entdeckten Bacillus und die Zahl der „Wohlthäter der Menschheit", die den lange Zeit allein 
als solchen gefeierten Jenner in Schatten zu stellen drohen, nimmt immer mehr zu, denn ist man 
einmal über die Ursache dieser Krankheiten im Klaren, so ist wohl der Tag nicht mehr ferne, wo 
alle Epidemien von der Erde verschwinden und die Aerzte, aller Sorge am Patienten entledigt, nur 
mehr der Wissenschaft allein leben werden, ja vielleicht gelingt es durch eifrig fortgesetzte Thier- 
experimente ä la Pasteur eines Tages das lang ersehnte Lebenselirvr zu entdecken, das uns bei 
fortdauernder Gesundheit das Alter Methusalems erreichen läßt. Damit aber die Menschen dieser 
wohlthaten theilhaftig und die Aerzte nicht mehr durch lästige Krankenpflege in ihrer wissenschaft 
lichen Thätigkeit gestört werden, bedarf es strenger Durchführung ihrer Anordnungen, was nur durch 
sogenannte Cpidemiegesetze möglich ist, die daher ärztlicherseits überall dringend befürwortet werden, 
denn mit einer Selbverleugnung ohne Gleichen sehen wir die Aerzte Tag und Uacht unermüdlich 
daran arbeiten, sich möglichst bald überflüssig zu machen, wie Nlrchom einmal in einer Rede als 
Ziel ihrer Thätigkeit hinstellte. 
^ t In der That wie großartig, Epidemien durch Impfgesetze und dergleichen einfach Hinwegzaubern 
und durch einige Gesetzparagraphen aus der Welt schaffen zu können! Damit steht auch in Ueber 
einstimmung, wenn wir lesen: „Von Seite der Sanitätsbehörden werden alle Maßregeln ergriffen, 
um der Seuche Einhalt zu thun", oder: „Dank der getroffenen Maßregeln gewann die Seuche keine 
weitere Ausdehnung", oder man stellt uns wohl gar in Aussicht, durch eine ärztliche Commission die 
Cholera in Indien aufsuchen* zu lassen, um ihr dort den Garaus zu machen und was dergleichen 
Gaskonaden mehr sind, mit welchen die gelehrten Herren den Gläubigen imponiren. Warum nicht auch 
Gesetze gegen hagelschlag und Mißernte, denn Epidemien sind ebenso naturgemäße Erscheinungen, 
wie Donnerwetter und Erdbeben unter gegebenen Bedingungen und es ist eine ganz lächerliche 
Aeberhebung mehrerer wissenschaftlicher pvgmäen, ihnen durch ihre meist höchst sinnlosen „Maßregeln" 
und durch eine thörichte Vielgeschäftigkeit Einhalt thun zu wollen. Die eigentlichen Ursachen der 
Epidemie sind uns, wie alle vernüftigen Aerzte eingestehen, vollkommen unbekannt und wir müssen 
uns mit mehr oder weniger wahrscheinlichen Hypothesen begnügen, die uns jedoch bis jetzt noch 
wenig Nutzen gebracht. 
wenn man aber von Maßregeln gegen Epidemien spricht, muß man sich vor Allem darüber 
klar sein, wie solche entstehen und ob es überhaupt möglich ist, die Ursachen derselben zu treffen, 
oder ihren Verlauf wesentlich zu beeinflussen. So viel wird wohl Jedermann zugeben, daß die 
menschliche Sterblichkeit vor Allem in innigem Zusammenhang steht mit den socialen Verhältnissen 
und es daher stelbstverständlich ist, daß unter den englischen Lords eine andere Mortalität herrscht 
als unter dem Handwerkerstand, bei den Landbewohnern eine andere als unter deu Städtebewohnern, 
bei dem wohlhabenden Bürgerstand eine andere als bei den Fabrikarbeitern, bei den indischen Hindus 
eine andere als bei den englischen Soldaten, bei einer siegreichen, moralisch gehobenen, gut ver 
pflegten Armee eine andere als bei geschlagenen, geistig gedrückten, in Festungen eingeschlossenen,
	        
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