Volltext: Der Naturarzt 1887 (1887)

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chenwand in das Blut und verbindet sich unter Wärmeentwickelung chemisch mit 
demselben, während ein Theil der Kohlensäure in entgegengesetzter Richtung in das 
Innere der Lungenbläschen tritt und mit ausgeathmet wird. Man wird sich hier 
zugleich vergegenwärtigen können, welche Störungen in dem normalen Verlaufe der 
Athmung eintreten müssen, wenn die in die Lungen eingesogenen Luftmengen fort 
gesetzt noch andere schädliche Gase, wenn, sie ohne Unterbrechung Staubtheilchen 
in übergroßer Menge beigemengt enthalten, und in die feinen Lungenbläschen 
führen, wo sie sich in den Wandungen derselben anlagern, anhäufen und Veran 
lassung zu Hemmungen, Entzündungen und Zerstörungen in dem Lungengewebe 
werden können. 
Beim Athmen durch den Mund muß die Lust einen kürzeren Weg ein 
schlagen und zwar zunächst die Lippenränder, die Zahnränder, den Zungenrücken, 
den vorderen und Hinteren Gaumenbogen oder die Rachenenge und den Schlund 
kopf passiren, um dann auf dem schon oben bezeichneten Wege durch die Luftröhre 
zu den Lungen zu gelangen. Das Athmen durch den Mund allein, findet, wie 
schon erwähnt, seltener, und zwar nur in Fällen statt, wo die Rasenwege in <stolge 
organischer Fehler oder krankhafter Wucherungen der Schleimhaut vollständig ver 
schlossen sind; im gesunden Zustande wird man beim Athmen durch den Mund 
immer noch einen Theil desselben auf die Rase übertragen. — 
Jetzt genügend vorbereitet, können wir nun zur näheren Erörterung des 
Satzes übergehen: 
„Geschloffener Mund erhält gesund". 
Cs liegt auf der Hand, daß man den Sinn desselben nicht etwa so auffassen 
darf, als ob der Mensch nur gesund bleiben könne, wenn er den Mund so viel 
als möglich geschloffen hält. Der Mund ist ja dazu da, um ihn zu öffnen, und 
zwar vor allen Dingen beim Essen und Trinken, beim Sprechen, Singen, Schreien, 
Gähnen, Seufzen u. s. w., und da die zuletzt genannten 6 Thätigkeiten nicht so 
leicht ohne alle Athmung durch den Mund stattfinden dürsten, ja anhaltend und 
ungezwungen gar nicht möglich sind, ohne daß die hierzu nöthigen größeren Quan 
titäten atmosphärischer Lust zum großen 'Theil auch ihren Weg durch den Mund 
nehmen, so muß eben der geöffnete Mund, unbeschadet der Gesundheit, auch zum 
Athmen dienen können. Und was thut denn der neugeborene Mensch? Cr sündigt 
gleich bei seinem ersten Eintritt in die Welt gegen die obige Auffassung unseres 
Sprichwortes, er pflegt nach besten Kräften zu schreien, und dabei-ohne den Mund 
zu schließen, durch denselben tief und anhaltendzu athmen; ja er muß dies natur 
gemäß thun, um seine kleinen Lungen und alle übrigen Respirationsorgane den 
neuen Verhältnissen anzupassen, und an dieselben zu gewöhnen. Er wird noch oft 
und lange Zeit hindurch nichts weiter thnn können, als zu schreien und seine Lungen 
und seine Brust infolgedessen auszuweiten, zu kräftigen und zu üben. Diesem 
letzteren Umstande ist auch die Entstehung der Redensart zuzuschreiben: „Schrei 
kinder — Gedeihkinder"*), deren Richtigkeit in gewissen Fällen übrigens sehr fraglich 
*) In anderen Gegenden heißt es auch: „Speikinder — Gedeihkinder.' 
D. Red.
	        
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