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Der Biß wütender Hunde erzeugt nur bei einem kleinen Teile der
Gebissenen Wutkrankheit; diese letztere scheint ausschließlich eine Krankheit des
Nervensystems zu sein; cs heilt die Bißwunde meistens ohne Schwierigkeit,
zuweilen schwellen aber Lymphdrüsen des betr. Gliedes an; das eigentliche
Leiden fängt oft erst nach Wochen und Monaken mit Verstimmung des Ge
mütes, Ekel, Übelkeit, Unruhe, Durst, Stuhlverhaltung, Mattigkeit, Glieder
schmerzen, Schaudern der Haut an. Die Wunde bricht zuweilen auf oder wird,
wenn noch nicht geschlossen, rötlich oder bläulich, schwammig, schmerzhaft; der
Schmerz zieht von der Wunde nach dem Rumpf und wie es dem Kranken
scheint, gegen das Herz, man bemerkt Zuckungen und das gebissene Glied wird
mehr oder weniger steif, taub; es lastet großer Druck auf dem ganzen Seelen
leben; cs erscheinen Beklemmung, Empfindlichkeit, Reizbarkeit, Zornwütigkeill
Herzensangst, Unruhe, Schreckhaftigkeit, schwere Träume, Aufregung des Ge
schlechtstriebes, Erschwerung des Atemholens, Schmerz in der Herzgrube, rauhe
und zitternde Stimme, Spannung, Steifigkeit im Nacken, Schlingbeschwerden,
Hitze, Kopfschmerz, Rötung und Glanz der Augen, große Schwäche und Hin
fälligkeit. Auf irgend welchen Anstoß hin, sei es Gemütsbewegung, Diätfehler,
Erkältung oder auch ohne solchen erfolgt der Ausbruch der eigentlichen Krank
heit : W u t, B i ß - und Tobsucht mit ihren fürchterlichen Erscheinungen.
Die Hauptsache ist: daß jeder von einem wütenden oder wntverdächtigen
Hunde Gebissene sofort ärztliche Hilfe sucht; bis zur Ankunft desselben wasche
man die Wunde sorgfältigst aus, zuerst mit reinem, warmem Wasser, dann mit
grüner oder sonst scharfer Seife oder einer Lösung von Chlorkalk, nachher
wieder mit reinem Wasser und endlich wiederholt mit reinem Zitronensaft; ist
dies geschehen und hat der Zitronensaft eine Stunde gewirkt, so trockne man
die Wunde mit einem Lciuentuche, begieße dieselbe mit Olivenöl und mache
durch Tag und Nacht kalte Umschläge (Salzwasser) mit Wechsel von 15 zu
15 Minuten. Damit ist alles geschehen, was vernünftiger Weise geschehen
kann, denn das Minimum von Materie, welches der Zahn des Hundes in
die Haut des Gebissenen bringt, ist so unbedeutend, daß es, wäre es noch nicht
in den nervösen Teilen, durch einen Tropfen Zitronensaft schon wirkungs
los gemacht sein müßte! Aber ich bin überzeugt, daß nur die von der Krank
heit befallen werden, bei denen der Hundezahn in einen Nerven und zwar in
eine bestimmte Art von Nerven drang und die während des Bisses in einer
bestimmten Seelenverfassung, in einer gewissen Körperdisposition sich befanden.
Außer dem obigen Verfahren muß dahin gewirkt werdeti, daß der Kranke die
vollste Zuversicht seiner baldigen gründlichen Genesung behält. Der Patient
bedarf größter Ruhe und Pflege, reinster Luft; alle Arzneien, Aderlässe, Reiz
mittel sind nicht nur überflüssig, sondern schädlich, kühlende Mittel, wie
das englische Brausepulver, Mandelmilch, Apfelsinensaft und andere Pflanzen
säfte, als Nahrung, Gemüse und Obst, dies bleibt das Beste! Kalte
Überschläge im ganzen Verlauf der Wirbelsäule, vom Kopf bis zum Steißbein,
die von Stunde zu Stunde erneuert werden, sind anzuempfehlen, wenn der
Kranke dergleichen erträgt.
Auch der Stich von Bienen, Wespen, Hornissen, Fliegen,
Skorpionen, Spinnen und anderen Tieren kann den Menschen im
Lebensgefahr bringen; aus diesem Grunde möge man einem so Gestochenen
schleunigst Hilfe bringen; dies geschieht durch möglichst rasches, aber vorsich
tiges Ausziehen des etwa vorhandenen Stachels und weitere Behandlung der
Wunde in der nachfolgend angegebenen Art; die Stiche mancher der genannten
Tiere bringen meistens großen Schmerz, Anschwellung und Rötung des be-