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Vorbereitungsweg des Mädchens zur Gattin nunmehr in das Stadium der Reife, der vollen
deten Pubertät Und der damit eintretenden Heirathsftthigkeit und schließt das Kapitel mit dem
Passus: wir haben noch eines in den wohlhabenderen Stünden ziemlich allgemein gewordenen
Gebrauches zu gedenken, der manche hoffnungsreich und im Rausch des Glückes begonnene
Ehe durch Siechtum bitter enttäuscht hat; ich meine die großen Hochzeitsgelage und daD Ent
fernen des neuvermählten Paares aus dem heitern Gelage, um sofort, meistens am Spätabend
eine Reise, eine sogenannte Hochzeitsreise anzutreten.
Es gibt keinen unsinnigeren Modegebrauch für ein eben vermähltes Paar, als diesen, dem
nachweislich schon viele Opfer der Gesundheit und des Eheglückes, namentlich auf weiblicher
Seite gefallen sind. Verfolgen wir nur objektiv die Lage und den Zustand der Braut kurz
vor der Hochzeit. Von den Geschäften der Vorbereitung und Aussteuer des neuen Haus
standes körperlich und geistig abgemattet, von dem Gefühle der Trennung aus dem elterlichen
Hause und der heimatlichen Gewohnheit im Gemüte bewegt und gedrückt, von dem, bei jedem
sittlichen Mädchen unausbleiblichen Gedanken an die nächste Zukunft und deren bevorstehenden,
tief in ihr ganzes Leben eingreifenden Erlebnisse erfüllt und befangen , wird die Braut jetzt,
trotz ihrer innersten Abspannung und des Bedürfnisses nach Ruhe, in die aufregende sog. Polter
abendgesellschaft gezwungen, muß hier repräsentiren, tanzen, die halbe Nacht durchwachen, müde,
bleich, die Abspannung und Kopfschmerzen durch festen Willen und die Reize neuer Aufregung
überwinden, muß sie nach schlafloser Nacht sich am andern Tage zum Altar schmücken, die
glückliche, frohe Braut repräsentiren, muß am Altare die feierlichen Eindrücke der heiligen Hand
lung, oft von der auf Rührung hinzielenden Rede des Geistlichen tief ergriffen und im Ge
müte erschüttert und Thränen vergießend, mit aller Fassungs- und Körperenergie bestehen, wird
dann in den Kreis der frohen Gäste gezogen, denen ihr noch weinendes Herz und das Gefühl
der Erschöpfung eine heilere elastische Miene und angenehme, anmutige Haltung zeigen soll,
muß an der Tafel die Blicke aller und die Toaste der redseligen Wortführer erdulden, jetzt,
wo ihr die Augen zufallen möchten, wo ihre Nerven fibriren und ihre Muskeln zucken, wo sie
den Wunsch nach Ruhe und Schlaf durch die Ahnung der nächsten Stunden unterdrücken muß,
wird ein heimlicher, schneller, gefühlvoller Abschied von den Eltern genommen; die junge Frau
muß sich reisefertig machen und die Nacht in einem Koupee der Eisenbahn fahren, wo sie weder
Schlaf noch Erholung, im Gegenteil meist die höchsten Nervenaufregungen erfährt. Mütter und
Hausärzte wissen, was hier oft in der Braut und Neuvermählten vorgeht, wie infolge der
großen Abspannung sich am Polterabend eine profuse Menstruation einstellt, deren unberech
netes Erscheinen das Mädchen erschreckt, beängstigt und quält und die (Geheimnisse der Braut-
nacht werden später dem Arzte offenbar durch Erschlaffungszustände der Geschlechtsteile, Schleim
hauterkrankungen, Senkungen, allgemeine Nervosität, Erwachen von Schwächeanlagen, Abortus re.,
wenn nicht, wie es auch geschieht, die junge Frau durch die Überanstrengung ihrer Kräfte auf
der Hochzeitsreise liegen bleibt und eine oft schwere Krankheit in einem Gasthof
durchmacht! Weit natürlicher und dem Organismus angemessener wäre es, wenn man die
Hochzeit still und in ruhiger Lebensweise beginge und acht Tage später die Festtafel servirte
und eine Reise, wenn sie einmal mit zum güten Ton gehört, nachher mit ruhiger Stimmung
anträte, wo sie wirklich eine Erholungsreise sein würde; viele chronische Leiden der Gattinnen in
der Ehe lassen sich ätiologisch auf die gewaltsame Hochzeitsreise und deren nicht weiter zu be
zeichnende Situation zurückführen.
Im 4. Kapitel wird auf 239 Seilen „die Gattin" abgehandelt und zwar in zwei Ab
teilungen, wovon die erste mit „Physische Diätetik", die zweite mit „S e e l e n d tä
te t i t" überschrieben ist. In der ersten sagt Verf.: „Das Eheleben führt das Weib nor
maler Weise in 5 hauptsächliche Perioden, von denen nur die letztere keiner Wiederholung
wie die 4 ersteren fähig ist, aber ihre Gesundheit, Kraft, Würde und Freude nnr auf die nor
male Durchlebung der 4 vorhergehenden Zustände gründet; diese Perioden sind : die B e -
gattung, Schwangerschaft, Niederkunft, Wochenbett und endlich das
Matronenalter, als diejenige letzte Lebensepoche, die mit dem Welken der Eierstöcke,
dem Aufhören der Menstruation und infolge dessen mit dem Ende der Zeugungsftthigkeit be
ginnt und bis zum Tode der Greisin andauert. Als Matrone tritt das Weib aus dem Berufe
des physischen Gattungslebens heraus, es bleibt sittliche Gattin des Mannes, Mutter der
Kinder, Frau des Hauses, Repräsentantin der weiblichen Würde und Mittelpunkt der Liebe im
Familienleben! So soll es normal sein und es wird erreicht, wenn das Weib in den
verschiedenen ehelichen Perioden mit Ausdauer einer richtigen Körper- und Seelen-
diätetik huldigte!
Verf. bespricht nun eingehend die 4 oben angeführten Perioden, wobei die Diätetik
der Begattung in 10 Paragraphen abgehandelt ist, bei der Schwangerschaft die
körperlichen Veränderungen in den 10 Mondenmonaten speziell angeführt und 8 Erfah
rungsregeln bez. des richtigen Verhaltens der Frau beigegeben sind, desgleichen über
„Niederkunft, Entbindung und Wochenbett" alles Wissenswerte in höchst an
ständiger Form vorgetragen wird, ebenso bei der Periode „Matronenalter".