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Wespenstiche.
Von Dr. v. Mllers senior.
Motto: Difficile est, satyram non scribere.
Herr Dr. med. Lahmann glaubt in ein Wespennest gestochen zu haben
(s. Nr. 9 pag. 130 dieser Zeitschr), und hat dabei die Homöopathie im Sinne.
Darin irrt er, wie in vielen anderen Stücken auch. Die Angriffe, welche Herr
Dr. med. Lahmann sich gegen die Lehre Hahne man ns zu richten ge
gönnt hat, lassen sich so lahm an und stehen so weit gegen dasjenige zurück,
was seit mehr denn einem halben Jahrhundert in dieser Richtung geleistet
worden ist, daß deren Abwehr einer Herabsetzung der zu vertheidigenden Sache
gleichkommen würde. Wer wird auch mit Kanonen gegen Mückenschwärme
schießen! Wohl aber dürfte es angemessen sein, im Namen der Abonnenten
und Leier des „Nalurarzt" gegen die Arroganz zu Protestiren. deren Herr
Dr. med. Lahmann sich schuldig macht, indem er jenen zumutet, mit der
Lektüre seiner zwecklosen und widersinnigen Auslassungen ihre Zeit zu ver
geuden. Vergleicht man den Schluß des in Nr. 9 enthaltenen Aufsatzes
mit dem Berichte über einen von Herrn Dr. med. Lahman n gehaltenen
öffentlichen Vortrag, welcher in Nr. 10 dieser Zeitschrift pag. 155—156 ab
gedruckt ist, so ist man versucht zu glauben, daß es dabei lediglich auf eine
Reklame zu Gunsten des von Emil Lichtenauer in Grötzingen fabri-
zirten „Pflanzen Nährsalz-Extraktes" abgesehen ist. Dergleichen aber findet
seinen Ort nicht in dem der Wissenschaft gewidmeten Texte, sondern in dem
Inseratenteile der Zeitschriften. An dem Ersteren, zumal wenn es sich um
wissenschaftliche Polemik handelt, sich zu beteiligen, hat Herr Dr. med. Lah
mann sich als völlig unfähig erwiesen, indem er eine Begriffs - Ver
wirrung verrät, welche selbst einem Tertianer kaum verziehen werden würde.
So vindizirt er, vor allen anderen, der von ihm vertretenen Heilmethode
„in ethischer Beziehung" den Preis. Was aber in aller Welt hat
denn eine wissenschaftliche Disziplin mit der Sittenlehre zu thun? Der Wert
einer solchen ist doch von jeher ausschließlich an demjenigen Maßstabe gemessen
worden, welchen der Satz vom zureichenden Grunde an die Hand giebt, wäh
rend die Ethik lediglich auf einen verantwortlichen Willen Anwendung findet.
Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, ergiebt der angeführte Satz, daß Herr
Dr. med. Lahmann in ethischer Beziehung den Preis seiner eigenen werten
Person zugeschrieben, d. h. sich als einen ganz fürtrefflicheu Herrn angesehen
wissen will. Nach dem bekannten Grundsätze des römischen Rechtes („Quis-
quis habetur probus, donec probetur contrarium“) würde ich dagegen etwas
erhebliches nicht einzuwenden haben, wenn nicht Herr Dr. med. L a h in a n n
auf der folgenden Seite einen argen Verstoß gegen die Gerechtigkeit sich zu
Schulden kommen ließe, eine Kardinal-Tugend, welche au einem sittlich hoch
stehenden Charakter nicht zu missen ist. Er erklärt nämlich (pag. 131 oben)
sich selbst für „vollberechtiget", auch über solche Gegenstände „mitzu
reden", deren Kenntnis ihm vollständig ab geht, ja, ihm nicht einmal
begehrenswert erscheint. Demnach sollte man gewärtig sein, Herr Dr. med.
Lahmann werde das gleiche Recht jedem Anderen auch zugestehen. Weit
gefehlt! Auf derselben pag. 131 unten macht er dem gewissen Besitzer eines
gewissen Angora-Katers, welcher in den „homöopathischen Monatsblättern"
ein auf ihn gemünztes „Eingesandt" verbrochen hatte, den vernichtenden Vor
wurf, daß er „weder von Naturheilmethode noch von natur
gemäßer Lebensweise etwas verstehe".