Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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Heilanstalt gebracht wurde. Wie die Diagnose der Approbirten lautete, 
litt der liebe Junge an starkem rheumatischen Herzklopfen und 
Aorta-Verengerung, weshalb die Doktoren vor mir wenig Hoffnung 
mehr für sein Aufkommen hatten. Das Herzklopfen war so stark, daß wenn 
Pat. im Bette lag, die Bettstelle wackelte und die linksseitigen Rippen ausfallend 
hervortraten; von Gehen war keine Rede, nur wenige Schritte im Zimmer 
erschöpften denselben gänzlich und brachten ihn außer Atem. Am 1. August, 
also nach kaum 6 wöchentlicher Behandlung konnte derselbe Brnnnthal im 
besten Wohlsein verlassen, er zeigte keine Spur von Herzklopfen 
mehr und konnte Stunden weit gehen ohne die geringste Atem- 
beschwerde! 
Die Kurmittel bestanden in täglich 2 mehrstündigen feuchten Halb- 
packnngen mit extra feucht kalter Brustkompresse, welche erneuert wurde, so 
oft sie heiß geworden, und temperirtem Halbbad am Schluß, später bloß eine 
Packung und 1 halbstündiges Sitzbad mit permanenten Brustwaschungen, sowie 
einigen heilgymnastischen Übungen. 
Briefwechsel für Alle und mit Alle». 
A n Verschiedene. Schluß von Seite 144. Im Weiteren hechelt N. den Wiener 
Greis wegen seiner Broschüre „H a u t Heil" durch, der jeden Morgen volle 17 a Stunde Zeit 
braucht, um seinen Corpus von u n t e n nach obe n nach vorhergenommenem Fußbad, in 
Kreis- und geraden Doppelstrichen naß zu frottiren und nennt seine Arbeit eine harmlose 
Eigenbrödelei! Alsdann springt N. wieder zu den Vegetariern zurück und lobt Dr. Eichborn, 
welcher in seiner Quartalschrift „Das neue I a h r h u n d e r t" die Ultravegetarianer von 
seinen Rockschößen mit folgendem Trumpfe abschüttele: „Nicht das N ich 1 f l e i s ch e s s e n" 
und was drum und dran hängt, sondern Einfachheit und Mäßigkeit und Gesundheit 
machen allein die Menschen gut und tugendhaft, edel und weise; Glück und Lebensharmonien, 
Tugend und Menschlichkeit wohnen innerhalb wie außerhalb der frugalistischen 
Küche! Und wenn so viele, denen ein Mangel an humanem Streben nicht vorgeworfen werden 
kann,., vom Frugalismus nichts wissen wollen, so liegt zum großen Teil die Schuld an 
den Übertreibungen und Irrtümern, den Thorheiten und dem unpassenden Radikalismus, 
womit eine große Zahl seiner Anhänger ihn der Welt vorführte!" 
Dieser Tadel treffe am lautesten auf die Berliner V e g e t ari an er zu , nicht jedoch 
auf alle, wohl aber auf den jugendlichen Troß, der sich durch Wort und Schrift als 
Erzpriester der „harmonischen Lebensweise", wie sie's stolz nennen, auswirft und 
durch sein brutales Auftreten die ursprünglichen Berliner Säulen zum Tempel hinaus 
graulte! Nur dann und wann läßt sich ein auswärtiger Genosse, z. B. D r. D o ck von d e r 
Waid herbei, in gediegener Rede G e s ch e i d t e s über die „blutlose Nährweise" vorzutra- 
gen, nicht ohne dabei warmen Beifall auch auf sonst abgeneigter Seite zu ernten! Von sol 
chen spärlichen Lichtpunkten abgesehen, führen sich unsere ortseingesessenen Herren Frugalisten unter 
der Schreckensherrschaft eines perennirenden, von ihnen auch zum Wandersalbader erkorenen 
Studenten in „wenig harmonische r" Weise, sondern mehr wie eine Art R ü p e l g a r d e 
auf! Wie der Vegetarismus auch bei tiefer angelegten und um ihrer selbstlosen Men 
schenliebe in der That achtbaren Naturen nicht z u r H a r m o n i e, sondern zum moralischen 
Schiffbruch führen kann, lehrte kürzlich das beklagenswerte Ende der Frau Stein-Sem- 
britzka: als freiwillige Pensionsmutter einer Anzahl von Waisenkindern, die sie streng 
vegetarisch und gleichzitig religionslos züchtete, erlebte sie trotz dieser ihrer 
Meinung nach allein und sicher gesund erhaltenden Nährweise bereits zum zweiten 
mal das Mißgeschick, daß ihr ein Pflegling jäh dahin starb; hatte sie schon beim ersten 
mal erklärt, daß sie ein zweites nicht erleben werde, so suchte sie jetzt den Tod durch Ertrin 
ken! In größerem Maßstabe eröffnete in der bäuerlichen Nachbarschaft vor: Berlin ein begü 
terter Vegetarier eine Pflege-Anstalt für kränkliche Kinder und g e b r e ch - 
l i ch e Erwachsene, welche dort Alles frei erhalten, nur feine Fleischkost! 
Wird es bei so günstigem Angebot der Anstalt nicht an Zugang fehlen, so dürste der Stifter 
doch, was moralische Eroberungen betrifft, hier ebenso wenig erreichen, als mit seinen frü 
heren Propaganda-Gründungen, welche trotz reicher Ausstattung sich deshalb im 
Sande verlieren, weil nicht wissenschaftliche Kraftfülle, sondern persönlicher Eigenwille 
wenn auch in geschickter Verkörperung, das Szepter führte; so oft der einstige Bankier die von
	        
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