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waltsam b. h. medikamentös zurückgetriebene Hautkrankeit, da durch den medi
kamentösen Eingriff der vom Organismus beliebte Ausscheidungsweg verlegt
wurde. Bei sehr gesteigerter Lebensthätigkeit wird auch wohl gleichzemg mit
der Krankheit das Arzneigift überwunden und ausgeschieden ; hätte man in diesem
Falle in Ermangelung der Kenntnis einer naturgemäßen Behandlungsweise
nur zugewartet, so wäre auch der erstere eingetreten, ohne daß der zweite
nötig gewesen wäre, in welchem Falle man nicht eine Schädigung des Orga
nismus hätte mit in den Kauf zu nehmen brauchen; denn ohne diese geht
es bei Arzneianwendung nie ab! Allerdings setzt es glücklicherweise nicht
jedesmal bei Chinin- und Salicylsüuregebrauch schwere Delirien, E r -
k r a n k u n g e u des Mittelohrs, Taubheit, Blindheit, G e i st es
st ö r u n g e n ; aber um Ohrensausen, Übelkeit, Zittern u. s. w. als s ch w ä ch e r e n
Vergiftungserscheinungen kommt so leicht niemand herum. Nicht
jedes Kind erkrankt infolge der Anwendung chlorsauren Kalis, dem beliebten
Mittel bei Diphtheritis, an Nierenentzündung; aber wenn alle diese schlämmen
Folgen nur ein einziges mal aufgetreten wären, wäre dies doch Grund genug,
von der Anwendung solch zweifelhafter Mittel abzustehen, und dabei gehören
diese als Beispiele angeführten Medikamente noch zu den harmloseren
und fast in den alltäglichen Hausgebrauch übergegangenen Mitteln, Bedarf
es da noch einer Warnung vor den anerkannt giftigen Medikamenten, da
es viel einfachere und vor allen Dingen wirksamere Methoden gibt? — Um
den Wert der Arzneimittel zu zeigen, gibt es kein besseres Mittel, als die sich
einer ungemein gesteigerten Nachfrage erfreuenden Schweizerpillen zu
betrachten. Diese Pillen, deren hauptsächlichster Bestandteil A l v 8 (getrockneter
Saft von Aloöarten Afrikas) ist, wirken sehr energisch stuhlgangbesördernd,
da sie den Darm stark reizen und die Darmschleunhaut in einen katarrhalischen
Zustand (wie bei einem Durchfall) versetzen; wehe aber dem, der schon so
weit gekommen ist, daß er nur noch mit Schweizer- und ähnlichen Pillen
Öffnung erzielen kann. Sie thun wohl einige Zeit, ja wohl einige Jahre ihre
Wirkung — dann aber plötzlich nicht mehr, weil sich mittlerweile ein chro
nischer Darmkatarrh eingestellt hat, der im hohen Alter leicht zum Darm-
krebs überleitet. Dann ist guter Rat teuer, dann verfällt man notgedrungen
auf die nicht medikamentöse, mechanisch-diätetische Behandlungsweise als letzte
Rettung. Wenn sich diese jetzt noch als heilsam erweist, so hätte es doch nicht
des mühsamen, mit Apothckerrechnungen gepflasterten Weges bedurft, um schon
alsbald wirkllch zu gesunden; denn der mit den Pillen aufrecht erhaltene Zu
stand war doch wcht Gesundheit, sondern wie das Endergebnis beweist, eine
andere Form von Krankdeit. — Ünsere Zeit, die Reformen auf allen Gebieten
zeitigt, spiegelt sich natürlich auch auf medizinischem Gebiete wieder. Meinte
man früher, daß die Homöopathie eine Reformschule werden sollte, so ist
diese Erwartung nicht in Erfüllung gegangen; denn sie hat nur die Dosen
der Arzneimittel beschränkt, die Voraussetzung aber der Allopathen, daß gegen
jede Krankheit ein Mittel gewachsen sei, beibehalten. Mittlerweile hat sich eine
neue Schule abgezweigt oder ist vielmehr in Pfade eingelenkt, die zuerst
von Laien gewiesen wurden, eine Schule, die alle Arzneimittel verwirft, Operationen
in den meisten Fällen umgeht und an Stelle der verderblichen Spezialisirung wieder
die Einheit der Wissenschaft proklamirt. Tagtäglich bekennen sich bedeutende
Namen zu derselben, sprechen sich Leute wie E b st e i n, O e r 1 e l und andere über
die absolute Verwerflichkeit gewisfer arzneilicher Kurverfahren aus und es ist zu
hoffen, daß über kurz oder lang alle so schreiben werden wie Professor Dr.Roß-
tz a ch kürzlich im „Ärztlichen Vereinsblatt". Vergl. die Votivtafel in Nr. 5 d.Bl.