Volltext: Der Naturarzt 1885 (1885)

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bei der Operation sich Tuberkeln gezeigt und sie deshalb, wie mir schien, 
rasch entlassen worden war; es zeigte sich nun bei dem anhaltenden Fieber, 
daß sie immer mehr abnahm und fast zum Skelett wurde; nebenbei hatte sich 
unterhalb des Nabels, neben der Operationswunde, die gut vernarbt war, ein 
Blütchen gebildet, welches infolge Applikation von Leinenumschlägen auf 
ging und sich nun ein förmlicher Kanal bildete zur Abführung von Eiterungen, 
und ist dann noch durch eine 2. und 3. Öffnung der Eiter literweise von 
ihr fortgegangen. Bon einem noch hinzugerufenen zweiten Arzte wurde sie eben 
falls für verloren aufgegeben; doch verlor ich die Hoffnung nicht, da ich 
auf ihre kräftige Natur vertraute! Endlich versiegten die Eiterungen und 
auch das Fieber ließ allmählich nach, so daß sie im Juli und August 1881, 
durch Gartenluft gestärkt, wieder Appetit bekam und daun auch nach und nach 
ihre frühere vollkommene Körperfülle wieder erlangte; nur die Regeln stell 
ten sich nicht wieder ein, und bemerkten meine zwei Ärzte, daß das nichts 
zu sagen habe, indem sich dieselben schon von selbst wieder einfinden würden. 
Dies ist auch geschehen, aber so unbedeutend, daß sie fast gar nicht zu 
rechnen sind. Nun hat sich aber seit zirka 10 Wochen eine erst kleinere, dann 
allmählich größer werdende Verhärtung auf der linken Bauchhälfte, der 
selben, wo die Eiterungen stattgefunden, eingestellt, welche der Hausarzt als 
Heilungsprozeß des Stranges der Eiterdrüsen erklärt! Das Übel hat 
sich nun aber so vergrößert und die Schmerzen haben so zugenommen, daß 
meine Frau fast den ganzen Tag im Bette zubringen muß, weil sie dann am 
wenigsten -schmerzen verspürt; sie ist auch geistig deprimirt, weil der Gedanke 
sie quält, wieder von neuem von einem solchen Leiden befallen zu sein! Nun 
konstatirt der Hausarzt wieder eine G e s ch w u l st, zuckt mit den Achseln, wie 
damals bei dem lange dauernden Fieber und ist — ratlos! Da ich Ver 
trauen zu Ihrer Heilmethode habe, frage ich hiermit ergebenst an, ob im vor 
liegenden Falle nicht durch Bäder und Ausschwitzungen eine Linderung zu er 
zielen wäre und sehe Ihrer geneigten Zuschrift recht bald entgegen. R. W. 
Meine Antwort am 1. Dezember lautete: Bringen Sie Ihre Patientin 
getrost nach Dresden ins Rcsidcnzbad, wo ich ein Zimmer für dieselbe parat 
halten werde; Sie können vom Bahnhof gleich mit ihr dahin fahren; was sich 
mit ihr machen läßt, soll sicher geschehen! 
Bei meinem Besuche am 6. Dezember traf ich das Ehepaar bereits im 
Rcsidenzbad an und Patientin, ausgangs der 20er Jahre, von kleiner, graziler 
Figur, präsentirte sich mir als ziemlich abgemagert und in äußerst deprimirter 
Stimmung; die Geschwulst fand ich auf der linken Bauchhälfte in dem Um 
fang eines Gänseeies, ziemlich hart anzufühlen und bei Druck schmerzhaft, von 
rötlich brauner Farbe, etwas Fieber war vorhanden; nachdem ich mit der 
Patientin nochmals alles durchgesprochen, was oben aus dem Briefe berichtet, 
sprach ich ihr ernstlich Mut ein, persuadirle sie, einige Wochen hier zu bleiben, 
weil Momente vorkommen dürften, wo sie meines Zuspruches wie meiner Hilfe 
dringend bedürfte; ich sagte ihr ferner, daß ich darauf hinarbeiten werde, die 
Geschwulst je eher je lieber zum spontanen Aufbruch zu bringen, d. h. 
ohne das Messer zu Hilfe zu nehmen, was Sinfoniemusik in ihren Ohren 
war und wofür sie mich mit einem dankbaren Blicke anschaute und mir entgcg- 
nete: „Ich habe mich schon darauf gefaßt gemacht, einige Zeit hier zu bleiben 
und deshalb das nötige mitgenommen, fasse auch wieder frischen Mut, denn 
ich lese in Ihren Augen, daß Sie mich noch nicht aufgeben, wie die Achsel 
zucker zu Hause, indem Sie gewiß schon ähnliche Fälle in Behandlung gehabt!" 
Meine Worte lauteten: .Also Sie bleiben da und sind in Ihrem eigenen
	        
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