Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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„Zum Reklameschwindel" überschriebenen Artikel verfaßt und zur Veröffentlichung gebracht 
zu haben, in welchem zunächst durch die Überschrift: „Zum Reklameschwindel. A. Kräh- 
mers elektrische Kettenbänder". Motto: Nundu8 vult decipi, ergo decipiatur! in Be 
ziehung auf den Privatkläger in nicht mißzuverstehender Weise behauptet wird, daß er 
mit der Anpreisung der von ihm gefertigten elektrischen Kettenbänder sich eines Reklame- 
schwindels schuldig mache und dadurch das Publikum, welches betrogen sein wolle, auch 
wirklich betrogen habe. Ferner wird darin dem Privatkläger vorgeworfen, daß er 
zwei seinen elektrischen Bändern beigegebene Atteste gemacht, sonach gefälscht, und 
gehöre dieses Verfahren vor den Strafrichter, durch diese Veröffentlichung aber allenthalben 
in Beziehung auf den Privatkläger nicht erweislich wahre Thatsachen behauptet und ver 
breitet zu haben, welche denselben verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung 
herabzuwürdigen geeignet sind, mithin aber den Privatkläger beleidigt, auch diese Beleidigung 
öffentlich und in Verbreitung von Schriften begangen zu haben. Gleichzeitig war von 
Krähmer noch eine Geldbuße von 1500 M. gefordert worden. Die Gntachten der 
Herren Sachverständigen gingen dahin, daß Kräbmers elektrische Kettenbänder eine Kopie 
der Pulver mann scheu Ketten in Paris sind, daß der Strom derselben , welcher 
in dem Prospekte als konstant bezeichnet wird, dies a l l e r d i n g s n i ch t i st, der 
Strom nach einigen Minuten sehr schnell abnimmt und die Bänder, wenn dieselben durch 
die Transpiration der Haut nicht feucht werden, gar keinen Strom enthalten, überhaupt 
müsse der medizinische Effekt derselben als ein unzuverlässiger, als ein schwacher 
bezeichnet werden und könnten unter Umständen die Bänder sogar schädlich wirken. 
Nach den Ergebnissen der heutigen Hauptverhandlung wurde Wolbold von der Anklage der 
Beleidigung f r e i g e sp r o ch e n und Krähmer zur Bezahlung der K o st e n verurteilt. Der 
Gerichtshof nahm für erwiesen an , daß das Wort „R e k l a m e s ch w i n d e l" im vor 
liegenden Falle nicht unzutreffend sei. Unter dieser Bezeichnung verstehe man das 
wiederholte Ausbieten in öffentlichen Blättern, um einer wertlosen Leistung zu 
einem größeren Absatz zu verhelfen. Beklagtem steht im vorliegenden Falle 
der freisprechende § 193 des Strafgesetzbuchs (Wahrnehmung berechtigter Interessen) 
schützend zur Seite, indem er als Naturarzt das Publikum hat schützen wollen 
und den Abdruck in einer Fachzeitung gebracht hat. Was die Fälschung der 
beiden Zeugnisse anlangte, so ist im vorliegenden Falle nicht von einer Fälschung, wie 
im Strafgesetzbuchs angegeben, die Rede, sondern von gewissen f i n g i r t e n Zeug 
nissen, welche sich lobend aussprechen k. Auch in d ies er Hi ns.ich t kam dem 
Beklagten der eben erwähnte f r e i s p rechende Paragraph zu Gute, da weder aus der 
Form, noch aus den Umständen eine Beleidigung hervorginge. 
Und in den „Dresdner Nachrichten" (ebenfalls in Nr. 324) stand 
nachstehendes Referat: 
Amtsgericht. Einen von dem Kläger gewiß nicht erwarteten und für diesen äußerst 
ungünstigen Ansgang fand gestern der Beleidigungsprozeß des Fabrikanten für elek 
trische Kettenbänder, Albert Krähmer hier, gegen den Herausgeber und Redakteur der 
Zeitschrift „Der Naturarzt", Gustav Wolbold, vor dem Schöffengericht. In 
Nr. 12 der gedachten Zeitschrift befand sich ein mit der Überschrift „Zum Reklameschwindet" 
versehener und gegen A. Krähmers elektrische Kettenbänder gerichteter Artikel mit dem 
Motto: „Mundus vult decipi, ergo decipiatur“ — auf deutsch: „Die Welt will be 
trogen sein, deshalb täusche man sie!" und enthielt der Aufsatz ferner den Vorwurf, daß 
Krähmer Zeugnisse „gemacht" bez. gefälscht und von denselben dann Gebrauch gemacht 
habe. Wolbold, der Beklagte,, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Schedlich, hatte 
erklärt, den Beweis für seine Behauptung anzutreten und von besonderer 
Wichtigkeit in dieser Beziehung waren zunächst die gutachtlichen Aussagen der als Sach 
verständige vorgeladenen Herren Hofrat Dr. T ö p l e r und Medizinalrat Dr. Lehman n. 
Hiernach sind die von Krähmer fabrizirten elektrischen Kettenbänder als Kopie der be 
reits s e i t 30 I a h r e n e x i st i r e n d e n von Pulver macher in Paris er 
fundenen zu betrachten, deren elektrischer Strom als ein konstanter, also als ein solcher, 
welcher seine Stärke dauernd behält, nicht zu bezeichnen sei und weiter wurde fest 
gestellt, daß lediglich durch die Transpiration des menschlichen Körpers e r st der elektrische 
Strom zum Vorschein kommt, dagegen in den Fällen des Nichttranspirirens der Erfolg 
gleich Null sei. Herr Dr. med. Lehmann bezeichnete den medizinischen Effekt als 
unzuverlässig und schwach, ja es könne unter Umständen vorkommen, daß der 
Gebrauch der Kettenbänder nach dem Krähmerschen Prospekt, ohne vorherige Intervention 
eines Arztes, z. B. bei Schlaflosigkeit, Kopfweh re. schädlich e i n w i r k e. Den zweiten 
Punkt der Anklage betreffend, handelt es sich um zwei, mit den Unterschriften des Dr. 
Hacker, Dirigent einer Heilanstalt in Neuhausen bei München und des med. pract. Zeumer
	        
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