Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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chemisch festzustellen? Davon liefert die Fakultät von Bordeaux selbst den 
Beweis, indem sie die frühern, mittelst Äther angestellten, Analysen von 
G i r a r d verwirft, die neuen von R « m o n t und Pellet mittelst Benzin 
angestellten als richtig anerkennt. Vielleicht erfahren wir schon morgen, daß 
auch letztere Analysen nicht genau, daß sie vielleicht Salicylsäure z u 
wenig nachweisen, während die von Girard zu viel angab! Kurz, es 
wird jene Trübung ver Verhältnisse entstehen, in welchen sich so manche 
Interessenten wohl, die Konsumenten sich aber stets sehr übel 
besinden. 
Und ist denn die Salicylsäure unentbehrlich? Nicht im mind esten, 
sie ist nur Hilfsmittel für Trägheit einer- und für Fälschung andrer 
seits. Obst, Gemüse rc. konnte auch bisher, sei es durch Luftabschluß oder 
durch genügenden Zusatz guten Zuckers, event, mit ein wenig Rum oder 
Kognak, völlig aufbewahrungsfähig gemacht werden. Gute, au natürlichem 
Zucker reiche, völlig vergvhren abgelagerte Weine und Biere, brauchen 
keine Salicylsäure; schlechte, saure, unreife Getränke freilich brauchen sie, 
um anscheinend genießbar zu werden, in um so größerer Quantität, je 
schlechter sie sind, und geschmierte brauchen am meisteu. Der Kon 
sument aber braucht diese beiden letztern Sorten über 
haupt nicht. Darum fort mit der Salicylsäure, wie mit allen 
chemischen Hilfsmitteln, welche dergleichen Fabrikate protegiren und andre sonst 
gesunde Lebensmittel (Obst, Gemüse rc.) zwar für Pilze und Infusorien unan 
greifbar, aber auch für den Menschen giftig machen! 
Nachdem die von Or. B a e tz im Archiv der Heilkunde geschilderte Gefahr, 
daß wir aus Furcht vor „Bakterien" rc. einer Epidemie prophylaktischer 
S a l i c y l o p h a g i e (zu deutsch „einer Volkskrankheit von aus Gesundheits 
fürsorge eingeführter Salichlfresserei") anheimfallen könnten, auf dem medizini 
schen Gebiet fast glücklich vorübergegangen zu sein scheint, droht sie leider von 
Seiten der Herren Interessenten, d. h. der Wein-, Bier- und Kom- 
p o t s ch m i e r e r mit verdoppelter Wucht hereinzubrechen! Ob der Reichs 
gesundheitsrat da helfen wird oder ob die „prophylaktische Salicyl 
säure" einer dem „prophylaktischen <L>chutzpockeneiter" analoge 
Behandlung erfahren wird? 
Mein Verlangen, und darin dürften mir auch außerhalb der Leser dieses 
Blattes Viele beistimmen, geht dahin, daß die Salicylsäure für das, was 
sie ist, für „ein Gift" erklärt und demgemäß unter die für solche geltenden 
sanitütspolizeilichen Verordnungen gestellt werde! 
Nachschrift der Redaktion. 
Ich bin vor. Jahr nach M—g zu einem jungen Lehrer gerufen worden, der die Wassersuck t 
in hohem Grade hatte; von den Rippen an abwärts bis zu den Zehen war alles so sehr 
geschwollen, daß die Vertiefung eines Fingerdruckes erst nach einiger Zeit sich wieder verlor. 
Auf mein Befragen nack der Entstehung und Dauer seines Leidens erzählte mir der auf 
dem Sopha sitzende, mühsam Atem holende Patient , daß er einen Rheumatismus gehabt 
habe und gegen denselben mit Salicylsäure gehandelt worden sei, worauf die Schmerzen 
nachgelassen, aber nach und nach eine Anschwellung von den Füßen herauf bis zur Brust 
sich eingestellt habe, die ihm das Atmen höchst beschwerlich mache, daneben^ klagte er noch 
über Herzklopfen und Urinbeschwerden, sowie, daß die Ärzte ihn nun im Lckiche gelassen! 
Also dies ist die herrliche Wirkung der Salicylsäure, während eine Wasserbehandlung gleich 
im Anfang den Rheumatismus in kurzer Zeit gehoben und alle üblen Folgen verhütet 
hätte; meine Versuche, den Patienten noch zu retten, waren leider vergeblich. G. W.
	        
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