Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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„Die Vorurtheile der Menschheit" sagt III. Band S. 291: . . . und selbst 
die Idee der Impfung durch Kuhpocken wurde dem Dr. Jenner, dem ver 
meintlichen Erfinder, durch die Äußerung eines jungen Stallmädchens gegeben. 
fSiehe Dr. Baron Life of Dr. Jenner 1828.] In Mecklenburg herrschte 
übrigens schon lange die Volkssage, daß Kuhpocken vor Mcnschcnpocken schützen 
fSchleswig-holsteinscher Proviuzialbcricht 1815])." 
Als. mein Kind 2 Monate alt war, kam ein unifvrmirter „Kirchen 
diener" in mein Heim und sagte in dem, Polizei-, Kirchen- und anderen 
Dienern in solchen Fällen eigenen Tone: „Ihr Kind ist schon zwei Monate 
alt und noch nicht getauft!" 
„Wird auch nicht getauft!" ließ ich -seinem „Herrn" erwidern. Bald 
darauf ließen mich verschiedene Umstände erkennen, daß solche „Gottlosigkeit" 
Ärgernis und Anstoß erregte; ich erklärte, daß eS mir „genüge, Mensch 
zu sein und daß ich mein Kind nach meinem Sinne erziehe. Als aber 
bekannt wurde, daß ich dasselbe kalt wasche, nackt auf dem (mit Tevpichcn be 
legten) Boden sitzen und — wenn es darauf einschlief — auch schlafen lasse, 
es gar „in einem Netz vor das Fenster hänge", so war das Urteil über mich 
fertig: ich war ein roher, ruchloser Mensch, der seinem Kinde, als ihm lästig, 
nach dem Leben trachte, um so scheußlicher, als ich dem „armen Wurm" 
nicht einmal den <segeu der „heiligen Taufe" zu teil werden ließ. 
Welchem Aberglauben entspringt die Taufe und welche Folge hat die 
selbe? „Meine Mutter hat in Sünden mich empfangen rc.", der Fluch der 
Erbsünde ; ..die Notwendigkeit der Reinigung von Mutter und Kind re. rc." 
Ich frage: M u ß nicht jede denkende Mutter allein schon 
aus diesem Grunde, empört über die Schmach, die hier 
durch ihrer Mutterschaft, d e m h e i l i g st e u der m e n s ch l ich e n 
Zustände, zugefügt wird, die „Diener Gottes" mit ihrer 
Taufe zurückweisen? Die Folge der Taufe, gleichviel in welcher Kon 
fession. ist der „Religionsunterricht" oder besser „Glaubensunterricht". Hier 
wird das Denkorgan, das Hirn, des Kindes statt zur höchsten Ausbildung 
durch Übung entwickelt zu werden, durch den naturwidrigen Zwang von natur 
widrigen Glaubenssätzen verkrüppelt. Und hiermit stehe ich wieder auf dem 
speziellen Boden des N.-A. „Rens sana in corpore sano u : Sowie ein 
wahrhaft gesunder G e i st nur in einem gesunden Körper sich entwickeln 
kann, jo ist die gesunde, d. h. naturgemäße Entwickelung des Körpers nur 
bei gesundem Denkvermögen möglich. Nach dem uns bekannten ein 
heitlichen Weltgesetz (von dem keine Ausnahme gilt) giebt es keine Wir 
kung ohne Ursache. Das herzzerreißende Elend, in welchem ein großer 
Teil, die stumpfsinnige, alles Idealen bare Niedrigkeit, die Oberflächlichkeit, 
in welcher der größte Teil der Menschheit sein irdisches Dasein hinbringt, 
hat also auch eine Ursache und diese Ursache dürfte wohl unbestritten in der 
Verirrung vom Wege der Natur (oder Gottes — wenn Sic dieses Wort 
lieber haben) und der Versündigung gegen das „Natur- (oder Gottes-) Gesetz" 
zu erblicken sein. — Das Traurigste aber bei dieser Verirrung, diesem Sün 
digen , ist, daß es Menschen giebt, die eben aus dieser Verirrung und jeder 
Sünde des Einzelnen sowohl als eines Volkes oder der ganzen Menschheit 
Kapital für sich schlagen — ein Kapital, umso größer und mächtiger, je dicker 
die Finsternis des Geistes, je größer die Verirrung ihrer Mitmenschen. (Ich 
will hiermit nicht gesagt haben, daß jeder dieser Menschen mit vollem Be 
wußtsein sich durch die Verirrung seiner Mitmenschen bereichere.) Sie 
bilden 3 getrennte Kasten, deren jede auf ihrem Spezial-Gebiet es sich min-
	        
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