27
Das Gericht hat nun diese verschiedenen absprechenden Äußerungen dem
§185 zu subsummiren gehabt, indem es davon ausging, daß dieselben, wenn
sie auch zunächst nur eine Kritik des vom Privatkläger aufgestellten Pro
spektes und zum Teil der in seiner Heilanstalt bestehenden Einrichtungen re. ent
halten, doch zugleich auch eine Mißachtung und Geringschätzung des Privatklägers
in seiner allgemeinen bürgerlichen und gesellschaftlichen Stellung als Leiter einen
weithin bekannten Heilanstalt unverkennbar zum Ausdruck bringen, der Ange
klagte auch des beleidigenden Charakters derselben sich vollständig bewußt gewesen
ist. Der Angeklagte hat sich nun zwar zu seiner Verteidigung auf § 198 des
R-Str.-G.-B. bezogen, wornach tadelnde Urteile über wissenschaftliche und gewerb
liche Leistungen straflos zu lassen sind. Allein wenn auch der hier im allgemeinen
in Frage kommende Aufsatz als eine Kritik der Heilanstalt des Privatklägers und
der darin bestehenden Einrichtungen sich darstellt, so kann doch die Vorschrift in
§ 193 zu Gunsten des Angeklagten um deswillen nicht zur Anwendung ge
langen, weil einerseits die meisten scharfen Ausdrücke schon der Form nach
eine „Beleidigung" enthalten, andererseits aber auch aus den jene Ver
öffentlichung des genannten Artikels begleitenden Umständen das Vorhandensein
einer Beleidigung zur Genüge hervorgeht! Es soll hier nur hervorgehoben
werden, daß der Angeklagte ohne jede Veranlassung den Sohn um dessen Ver
stoß gegen die Universitätsgesetze mit in seine Kritik hereingezogen hat, was keinem
Zweifel darüber Raum läßt, daß der Angeklagte im Sohne den Vater ver
letzen wollte!
Weiter hatte der Angeklagte durch eine frühere ihm von Dr. Brehmer per
sönlich gewordene, der Schilderung in Nr. 10 von 1873 nach nicht gerade liebens
würdige Behandlung Anlaß erhalten, sich seinerseits verletzt zu fühlen — ein
Umstand, der dem Beklagten jedenfalls Veranlassung gab, nach einer Gelegenheit
zu suchen — sich seinerseits dafür zu revanchiren! — — Auf Grund dieser Er
wägungen hat das Gericht mit Rücksicht auf die offenbar vorhandene Einheit
lichkeit des Beweggrundes und die Continuität der Handlungsweise, den An
geklagten der fortgesetzten öffentlichen Beleidigung nach § 185 und 186 für
schuldig erachtet, zugleich aber nur eine verletzende Handlung angenommen
und dasjenige Gesetz in Anwendung gebracht, welches die schwerste Strafe
androht! —
WtT Die Berufung an das Urteil der höheren Instanz (5. Straf
kammer) habe ich unterlassen, nicht weil ich mir bewußt bin, irgend eine Un
wahrheit in dem genannten Artikel über Dr. Brehmer und seine Behandlungsweise
gesagt zu haben, sondern weil mir von meinem Sachwalter die Nutzlosigkeit der
selben wegen der geschehenen Formfehler klar gemacht wurde. Ich werde aber
im Interesse meiner Leser und der Wahrheit die Heilanstalt Görbersdorf und
ihren approbirten Leiter im Auge behalten und bemerke hier beiläusig, daß
nach Publikation des Urteils in hiesigen Blättern mir von mehren Seiten
Briefe zugekommen sind, worin ich sehr bedauert werde wegen der erheblichen
Geldstrafe und zu meiner Genugthuung gesagt wird, daß mein Referat leider
nur zu wahr und noch in bescheidenen Grenzen gehalten sei gegenüber dem,
was Schreiber sonst über Dr. Brohmer gehört haben! Daraufhin ersuche
ich nun Alle, mir gef. über G. mitzuteilen, was sie über die Behandlung
und Kurresultate daselbst in Erfahrung gebracht haben und mir zu ge
statten, später davon beliebigen Gebrauch zu machen — im Interesse der
Wahrheit! Es bandelt sich hier ja nicht um einen persönlichen Streit zwischen
Dr. Brehmer und mir, sondern um Lösung einer höchst wichtigen Prinzip-