Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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jedoch Sporen von ihnen in der Milz zurück und gelangen erst nach einiger 
Zeit wieder in die Blutbahn, um dort zu Spirillen auszuwachsen und sich von 
Neuem zu vervielsältigen); mit ihrem Verschwinden findet aber ein 
jäher Abfall der Temperatur statt — durchschnittlich über 5° C. 
in 5 bis 8 Stunden — und es tritt infolge dessen völliges Wohlbefinden des 
Patienten ein. Nach 6 bis 12 Tagen indes entdeckt man wieder einzelne 
Spirillen in seinem Blute, deren rapide Vermehrung sich ohne große Mühe 
mit dem Mikroskope kontrolliren läßt. Vollkommen gleichen Schritt mit dieser 
Vermehrung hält die sich nunmehr einstellende Verschlimmerung im Zustande 
des Kranken, es kommt zu einem zweiten Fiebcranfalle, der so lange dauert, 
bis die Körperwärme hoch genug gestiegen, um wieder einen lähmenden Einfluß 
auf die Parasiten auszuüben. Darauf folgt abermals eine fieberfreie Periode 
und dann ein dritter, später wohl auch noch ein vierter und fünfter Anfall, 
jedesmal mit kürzerer Dauer und längeren Jntermissionen. Die Schwere 
der Erkrankung hängt ganz und gar von der Menge der vor- 
handenen Spirillen ab. In tödlich endenden Fällen wimmelt das Blut 
förmlich von ihnen. Mir wurde vor zwei Jahren in einem Berliner und später im 
diesigen Krankenhause die Möglichkeit geboten, mir durch eigene Untersuchungen 
Klarheit über die ätiologische Rolle der Schizomyzeten in dieser Krankheit zu ver 
schaffen. Möchte doch auch der „alte Ketzer" recht bald Gelegenheit dazu finden. 
Wo aber nach alledem die Wissenschaftlichkeil bei den Hill er scheu Gründen 
bleibt, überlasse ich getrost dem Urteile des denkenden Lesers. 
Hill er hat übrigens seine wegwerfenden Ansichten über die Pilztheorie 
nicht wie andere Leute bloß am Studirtische ausgeheckt, sondern auf Experimente 
gestützt. Dieselben fielen in eine Zeit, wo diese Lehre noch in den Kinder 
schuhen steckte und erregten damals viel Aufsehen, machten sogar manchen 
„Bakterienfrcund" stutzig. Heutzutage lacht jeder Abc-Schütze der Mykologie 
über derartige erbärmliche Stümpereien, welche absolut nichts Anderes beweisen, 
als eine krasse Ignoranz in Bezug auf die biologischen 
Eigentümlichkeiten der Spaltpilze. H. operirte nämlich nach 
feinen eigenen Angaben mit Gemischen von „Monaden, Stäbchen, Ketten, Fäden 
und Lager derselben" (Monaden d. h. Mikrokokken bilden niemals Fäden, ebenso 
wenig existiren „Lager" von Kugel- oder Stäbchen - Bakterien!). Jeder Bauer 
weiß nun aber, daß, wenn er eine Aussaat benutzt, in der nur wenig Weizen- 
körner, dagegen viel Hafer, Wicken und Samen von allerlei Ackerunkraut vor 
handen sind, der Weizen beim Aufgehen rm Felde von den übrigen Pflanzen 
überwuchert und unterdrückt wird. Ganz Ähnliches geschieht bei den Schizo 
myzeten und deswegen besitzen Versuche, welche nicht imt Reinkulturen 
eines einzigen pathogenen Bakterium, sondern mit Bakterien- 
Gemischen unternommen werden, auch nicht den allergeringsten Wert, nicht 
die mindeste Beweiskraft. Außerdem erhellt aus den H. schen Angaben, daß 
fern Impfmaterial noch dazu saprogene (d. h. Fäulnis-) Bakterien enthielt und 
von diesen ist cs ja jedem Mykologen bekannt, daß sie die krankmachenden 
Bakterien vernichten (der Praktiker sagt: Fäulnis zerstört den Ansteckungsstoff), 
wodurch also von vornherein die Wirksamkeit jeder Inokulation vollständig auf 
gehoben sein muß. Übrigens habe ich bereits un Jahre 1876 durch Nachver 
suche die Fehlerquellen in den H. schen Experimenten aufgedeckt und in meinem 
Dchriftchen: „Die Pilze uls Krankheitserreger" (Leipzig 1877, pag. 77 u. f.) 
darüber berichtet. Wem das hier Gesagte nicht genügt, der möge Ausführlicheres 
über diesen Punkt darin nachlesen. - (Fortsetzung folgt.)
	        
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