Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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Jur Entgegnung. 
Von Dr. W. Albert Haupt in Chemnitz. 
(Fortsetzung.) 
Der „alte Ketzer" schreibt A. Hitler das Verdienst zu, „dem grassirenden 
Bakterienschwindel mit wissenschaftlichen Gründen zu Leibe gegangen zu sein". 
Sehen wir uns diese Gründe einmal näher an! 
In den von Hiller gegen die Lehre vom Contagium vivum ins Feld 
geführten Sätzen heißt es: 
„Die persönliche Anwesenheit von Bakterien im kreisenden Blute ist für die Salubrität 
desselben irrelevant. Eine Vermehrung oder ein zersetzender Einfluß hat in dem innerhalb 
des lebenden Gefüßrohrcs strömenden Blute niemals statt" und 
„Entwickelung und Vermehrung dieser Organismen sind nur möglich in totem, abge 
storbenem Material, oder in solchem, welches, keines selbständigen Stoffwechsels mehr fähig, 
sich zum lebenden Körper als Natsria inors verhält". 
Nun ist es aber eine, durch unzählige Experimente und Untersuchungen 
festgestellte und heutzutage jedem wissenschaftlich gebildeten Arzte bekannte That 
sache, daß z. B. der bereits erwähnte Milzbrandpilz* und die das Rückfalls 
fieber erzeugende Lpirvcbaete Obermeieri sich nur im lebenden Blute 
entwickeln und vermehren, im toten aber sehr rasch zu 
Grunde gehen. Auch begreift wohl selbst „der beschränkteste Unterthanen 
verstand", daß ein zu mehren Millionen in jedem Blutstropfen vorhandener 
fremder Organismus, der außer anderen Nährstoffen namentlich Sauerstoff 
begierig verzehrt und dagegen Kohlensäure ausscheidet, für den lebenden Tier 
oder Menschenkörper ganz unmöglich „irrelevant" sein kann. Uebrigens wird 
ja auch der „zersetzende Einfluß" dieser Parasiten beim Milzbrand durch das 
dunkle, schmierige, syrupdicke Blut und die förmlich breiig gewordene Milz 
(deren Bakteriengchalt von Büchner in einem Falle auf 7V 2 Millionen pro 
Kubikmillimeter geschätzt wurde) hinlänglich dokumentirt. Koch hat sogar bei 
der experimentellen Mäuseseptikämie durch Untersuchung des Blutes vom noch 
lebenden Tiere nachgewiesen, daß die Bakterien wirklich in die ^ 
Blutkörperchen eindringen und sie schließlich völlig zum 
Zerfall bringen. Wohl am schönsten läßt sich die Vermehrung und die 
pathrogcne Wirkung der Spaltpilze bei Febris recurrens verfolgen. Man 
braucht nur einem an solcher Krankheit Leidenden am zweiten Tage des Fieber 
anfalls durch einen Nadelstich in die Fingerkuppe ein Tröpfchen Blut zu ent 
ziehen und dies unters Mikroskop zu bringen, um sich vorerst von dem Vor 
handensein der Spirillen (Spiroch. Oberm.) zu überzeugen und muß dann Tag 
für Tag ein paar Mal eine solche Untersuchung vornehmen. Sobald die 
Fieberhitze einen gewissen Grad erreicht, verfallen diese Parasiten in Wärme 
starre, d. h. sie vermehren sich nicht mehr und werden dann vom Körper rasch 
ausgeschieden. Jetzt forscht man vergebens nach ihnen (wahrscheinlich bleiben j 
* Toussaint, Professor an der Tierarzneischule zu Toulouse, konnte bei seinen 
Milzbrandversuchen genau vorhersagen, in wieviel Stunden die geimpften Tiere an Anthrax 
sterben würden. Er zählte und berechnete nämlich die in seinem Impfmaterial enthaltenen : 
Milzbrandbazillen und fand so, daß z. B., wenn er 1500 Millionen solcher Bazillen ein- l 
spritzte, die Kaninchen in 7 Stunden, wenn 75 Millionen: in 13 Stunden und wenn nur 
1500 Stück : in 86 Stunden an dieser Krankheit verendeten. Durch eine in gewissen Zwischen- j 
räumen angestellte Exploration des Blutes der Versuchstiere vermochte er auch die fort- 
schreitende Vermehrung tneser Spaltpilze ad oculos zu dcmonstrircn und zwar zeigte sich 
30 Minuten nach stattgehabter Jujektion in die Jngularis, daß das aus einer Ohrvene b 
entnommene Blut in jedem Gesichtsfeld des Mikroskops 5—6 Bazillen, nach 65 Minuten: 
8—10, nach 1?/« Stunden: 12—14 und nach 3V« Stunden: 150 Milzbrandbazillen enthielt.
	        
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