Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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übermangansaurem Kali, in Chlor-, Brom- und Jod-Wasser oder durch 
10 Minuten langes Einlegen in eine wässerige Sublimatverdünnung von 
1 : 20000 oder durch längeres Kochen ist die Keimfähigkeit dieser Samen zu 
vernichten. Sie besitzen dieselbemilzbranderregendeKraftwie 
die Bazillen, indem sie, in das Blut eines passenden Tieres oder des Men 
schen gelangt, sehr schnell zu solchen Stäbchen auswachsen, die sich rapid ver 
mehren und teils durch ihre Anhäufung, teils durch den Verbrauch von Nährstoffen 
und durch Ausscheidung von Kohlensäure eine verderbliche Wirkung entfalten. 
Um solche Anthraxpilze immer zu Experimenten zur Hand zu haben und 
ihre Entwickelung, Vermehrung und Samen- (Sporen-) Bildung jederzeit beobachten 
zu können, stellt man Reinkulturen an. Zu diesem Zwecke eignet 
sich am allerbesten eine, auf einer kleinen Glasplatte (Objektträger) in dünner, 
gleichmäßiger Schicht aufgetragene, mit wässeriger Fleischextraktlösung ge 
tränkte Gelatine. in welche man mittelst einer Nadel ganz frisches Milzbrand 
blut einimpft; denn auf diese Weise vermag man die Vervielfältigung der Bazillen 
fortwährend ohne weiteres mit dem Mikroskop zu kontroliren. Früher be 
nutzte ich zu derartigen Kulturen verschiedene Flüssigkeiten — und zwar meistens 
Harn — und rateAnfängern,sichzuerstimmerdieseseinfachen, 
leicht ausführbaren Verfahrens zu bedienen. Derselbe wird 
— frisch gelassen — mit etwas Soda versetzt, bis er schwach alkalisch reagirt 
und dann in einer kleinen gläsernen, durch einen Wattepfropf verschlossenen 
Retorte 1 Stunde lang gekocht (sterilisirt), um etwa darin vorhandene Bakte 
rien und deren Keime zu zerstören. Nach dem Erkalten öffnet man das Gefäß, 
läßt einen Tropfen Blut, das einem milzbrandigen Tiere kurz vor oder gleich 
nach dem Tode entnommen wurde, hineinfallen, verschließt sofort wieder mit 
Baumwolle und hält diese Kultur in einer Temperatur von mindestens -f- 
20 0 C., bis sich eine deutliche Trübung der Flüssigkeit (sicheres Zeichen der 
Pilzcntwickelung) bemerkbar macht. Dann überzeugt man sich durch die 
mikroskopische Untersuchung, daß der Bacillus anthracis in großen Mengen 
zugegen ist und bringt einen Tropfen aus dieser Kultur in frischen, auf die 
angegebene Weise zubereiteten Urin. Hat sich auch dieser mit solchen Pilzen 
bevölkert, so nimmt man wieder 1 Tropfen in neuen Harn und fährt so fort 
(Pasteur kam bis zur 100. Kultur!), bis man sicher sein darf, daß kein 
Atom mehr von dem in die erste Kultur gebrachten Tropfen Blutes — mit 
hin auch nicht von jenem fabelhaften chemischen Stoffe, der nach dem Glauben 
der Pilzgegner den Milzbrand hervorrufen soll — vorhanden ist. Ob man 
dann von der 1000., 100. oder 10. Reinkultur ^ Tropfen einer Maus 
einimpft, bleibt sich ganz gleich, das Tier geht ebenso gewiß und so rasch an 
wirklichem Anthrax zu Grunde und seine Milz zeigt ganz dieselben enormen 
Massen von Bacillus anthracis, als wenn man das gleiche Quantum frischen 
Milzbrandblutes inokulirte. Befreit man aber die Kultur - Flüssigkeit 
von dem wahren Krankheitserreger, d. h. von den Anthraxbazillen, indem man 
dieselbe mittelst der Luftpumpe durch Thonzellen filtrirt, so kann man einer 
Maus eine ganzePravazsche Spritze voll davon injiziren, ohne 
Milzbrand und Tod herbeizuführen. Wird eine solche Reinkultur in flachen 
Schalen der freien Luft ausgesetzt, so schnüren die an der Oberfläche 
der Flüssigkeit befindlichen Bazillen sehr schnell Sporen ab, die sich, 
auf schmale Streifen Papier oder an Seidenfäden aufgetrocknet, viele Jahre 
keimfähig erhalten. Winzige Stückchen dieser Papierstreifen und Fäden, 
welche man Mäusen unter die Rückenhaut einschiebt, verursachen ebenfalls mit 
mathematischer Sicherheit den Tod der Tiere an Anthrax.
	        
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