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Teil der Arbeiterklasse unsrer Sache große Sympathie entgegenbringt, während
ein andrer Teil uns ziemlich unsympathisch entgegentritt und von der vege-
tarianischen Lebensweise eine falsche Auffassung hat; sehr Viele glauben näm
lich, vcgetarianisch leben heißt: allen Genüssen entsagen, ärmlich
und von Entbehrungen leben. Viele Arbeiter glauben sogar, daß. so
bald sie Vegetarianer werden, d. h. dem Fleisch, Wein, Bier und Branntwein
entsagen, die Arbeitgeber und Prinzipale sofort eine Lohnreduktion ein
treten lassen werden!
Nicht oft und energisch genug können solche irrtümliche Ideen bekämpft
werden; einen sehr schönen Anlauf hiezu hat der Wiener vegetaria-
nische Verein genommen, indem er zu Tausenden von Exemplaren ein
sehr gut abgefaßtes und lehrreiches Flugblatt unter die Arbeiterschaft ver
teilte, um derselben zu zeigen, welche Vorteile gerade die ärmere Klasse
aus der vegetarianischen Lebensweise ziehen kann. Ja, belehren wir fort und
fort das Volk und zeigen wir ihm recht, in welch innigem Zusammenhange
naturgemäße Lebensweise zur 'körperlichen und geistigen Gesundheit, kurz —
zum wahren Wohl eines Jeden steht.
Am 14. März hielt ich in den schönen geräumigen Blumensälen des
Gartenbauvereins meinen dritten Wiener Vortrag:
„Über die menschliche Lebensdauer und die Mittel,
dieselbe nicht zu verkürzen".
Auch diesmal wieder ein dichtgefülltes Haus und ein unserer Sache äußerst
sympathisches Publikum. Dieser Abend wird mir unvergeßlich bleiben! Am
folgenden Tage, 15. März, fand das vegetarianische Bankett in Wien statt;
dasselbe nahm einen sehr würdigen Verlauf und kann, wie das Kölner und
Berliner Bankett, als ein sehr gelungenes bezeichnet werden; die Berliner
Blätter haben ebenfalls einen Bericht darüber gebracht. Von Anfang brs zu
Ende herrschte die herzlichste Fröhlichkeit und auch diesmal bewährte sich die
allbekannte Wiener Gemütlichkeit.
Es wäre noch Manches über „die Wiener Tage" zu berichten, doch ich
muß mich so kurz als möglich fassen, und kurz nur rufe ich hier unseren
Wienern insgesamt, besonders aber dem Herrn Schürr, Präsident des
Vereins und dessen Schriftführer, Herrn Hillig, die sich beide sehr viel
Mühe für das Gelingen meiner Vorträge gegeben hatten, zu:
Herzlichen Dank für Alles, was Ihr für mich, besonders aber für
unsere Sache gethan! Wirket weiter in diesem Sinne und mögen schöne Er
folge Eure Arbeit krönen!
Von Wien ging's nach Graz. Unterwegs begrüßte ich unsere werten
Mürzzuschlager Gesinnungsgenossen, denen ich sehr gern einen Vortrag auf den
19. März zusagte. In Graz traf ich einen blühenden Vegetarianerverein und
liebe Gesinnungsgenossen, bei denen ich mich recht wohl fühlte. Es wäre zu
wünschen, daß jeder vegetarianische Verein, wie dies in Graz der Fall ist,
unter seinen Mitgliedern eine gewisse Anzahl Familien zählte, die als stabiles,
d. h. nicht so häusig wechselndes Element sehr zum Gedeihen unserer Vereine
beitragen würden.
Mein erster Vortrag in Graz (Thema: Der Vegetarianismus in seinen
Beziehungen zu Gesundheit und Krankheit) war recht gut besucht und wurde
mir die Freude, daß nach dem Vortrage ein Arzt zu mir kam mit den Worten:
„Sie haben mich diesen Abend zum Vegetarianer gemacht" und, so viel ich
weiß, hat dieser Mann sein Wort gehalten, er und seine Familie leben seitdem
vcgetarianisch.