Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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rückdrängen des Urinirbedürfnisses zu quälen und verrichtete dasselbe so ost 
und so lange als nötig war, und ist dies auch der Zeitabschnitt meines Lebens, 
in welchem, weil verhältnismäßig wenig mit körperlichen Schmerzen geplagt, ich 
mich rasch und kräftig entwickelte und stets heiter, zufrieden und glücklich war. 
Mit dem Eintritt ins Militär, in meinem 21. Jahre, änderte sich indessen 
die Situation leider zu meinem Nachteile. Während des Exerzirens oder auf 
Märschen um Erlaubnis zum austreten nachzusuchen, wagte ich nicht, da solches 
unverhältnismäßig lange dauerte und die Herren Offiziere sowohl als auch 
Unteroffiziere viel eher angenommen haben würden, ich suche dem Dienste aus 
dem Wege zu gehen. Wer würde überhaupt Rücksicht mit meinen Schmerzen 
gehabt haben? Beim Militär kannte man das nicht. Hohn und Spott, wenn 
nicht gar strenge Zurechtweisung, durste ich viel eher erwarten, und darum, 
biß ich, wie man wohl zu sagen pflegt, die Zähne zusammen und hielt aus, 
wenn auch zu meinem größten Schaden; denn durch das halbe Tage lange 
Zurückdrängen des Urinirbedürfnisses wurde, tvie mir später, anläßlich der not 
wendig gewordenen Operation, der nunmehr verstorbene, hochverehrte General 
stabsarzt Dr. Stromeyer sagte, eine Verkrümmung und dadurch be 
dingte Verengung des Blase «Halses herbeigeführt, welche für die 
Dauer meines ganzen Lebens nicht allein unangenehm, sondern auch öfter 
nachteilig für mich ist. Was ich ausgehalten, wird nur der mit mir fühlen, 
der an einem ähnlichen Übel gelitten oder leidet; jemand anders kann es 
nicht, in seiner vollen und ganzen Bedeutung wohl kaum der fernstehende Arzt. 
Vom Jahre 1857 dis 1874 hatte ich infolge der erwähnten Umstände mit 
manchen Übeln zu kämpfen. Neben Unterleibsbeschwcrden waren es hauptsäch 
lich Kongestionen zur Lunge und Kopf. Als ich dann anfangs März 1874 mir 
noch eine schwere Erkältung zuzog, die Kehlkopfentzündung, Pleuritis und einen 
jahrelangen Magendarmkaiarrh im Gefolge hatte, war das Maß meiner Leiden 
mehr als voll. Zwar wurde die Phimosis, der Ausgangspunkt aller Leiden 
durch Operation beseitigt und gleichfalls Blasensteine, die sich durch die stetige 
Harnverhaltung gebildet hatten, operativ entfernt, aber die Heilung aller ein 
gewurzelten üblen Folgezustände konnte ich selbst durch den ausgezeichneten und 
mit Recht weit über Deutschlands Grenzen hinaus berühmten Generalstabsarzt 
Dr. Stromeyer nicht erlangen. 
Im Jahre 1875 ging ich mehre Wochen aufs Land in die Heimat. 
Dieser kurze Zeitraum brachte mir immerhin einige Linderung, doch aber keine 
Genesung. 1877 schickte ein hiesiger bedeutender und vielbeschäftigter Arzt mich 
nach Ems, nachdem eine fast zweijährige Behandlung nichts genützt hatte. 
Von dort habe ich allerdings recht schönen Erfolg zu verzeichnen; eine gänz 
liche Beseitigung meiner Leiden indessen nicht. Dieselben stellten sich vielmehr 
bald heftiger, bald gelinder, zeitweise wieder ein; namentlich waren es Ver 
dauungsbeschwerden und hartnäckige V e r st o p f u n g, die mich nicht mehr los 
ließen. Ohne Ricinusöl, Pillen und Klystiere, ja selbst unter Zuhilfenahme 
dieser Medikamente ging ich dennoch ost 3 bis 4 Tage ohne Stuhl hin, und 
mein Zustand wurde immer unerträglicher. Im Februar d. I. nun kam Herr 
Dr. D o ck nach hier und hielt einige Vorträge über naturgemäße Lebensweise. 
Die Auseinandersetzungen dieses Herrn leuchteten mir wohl ein, indessen dachte 
ich längst nicht daran, von meiner bisherigen Lebens- resp. Ernährungsweise 
abzulassen. Am Morgen nach seinem Vortrage aß ich schon — wie öfter — 
zum Thee ein Beefsteak mit Eiern, um Kräfte zu bekommen und genesen zu 
können. Hatten doch sämtliche Ärzte, die ich konsultirt, immer wieder den 
Genuß von recht viel gebratenem Fleische, Geflügel rc. anempfohlen.
	        
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