Volltext: Der Naturarzt 1882 (1882)

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3nx Entgegnung. 
Von Dr. W. Albert Haupt in Chemnitz. 
„Im 19. Jahrhundert hat man angefangen, Stück für Stück 
„Contagia animata wirklich zu finden." V i r ch o w 
In Nr. 11 des „Naturarzt" vom vorigen Jahre findet sich ein Artikel 
„Zur Bakterienjagd" (aus den Papieren des alten Ketzers), der ohne 
allen Zweifel nicht bloß den Beifall der Redaktion, sondern auch die Zustim 
mung der meisten Leser d. Bl. erlangt hat, denn danach ist ja die Bakterien- 
Theoric eitel Schwindel und die Furcht vor den winzigen Krankheits-Erregern 
gänzlich unberechtigt. 
Ein richtiger Bakterienjäger freilich wird jenen Aufsatz lächelnd bei Seite 
legen, der offenbar schon vor mehren Jahren geschrieben wurde und von 
einem Arzte stammt, dem die Praxis nicht Zeit gelassen, sich ernstlich und ein 
gehend mit dem hochwichtigen Gegenstände zu beschäftigen. 
Böte die Lehre vom Contagium vivum bloß ein theoretisches Interesse, 
so wäre eine populäre Zeitschrift sicherlich nicht der Ort zur Widerlegulig 
irriger Ansichten, allein sie ist von so eminent praktischer Bedeu 
tung nicht nur für die öffentliche, sondern auchfür die per 
sönliche Gesundheitspflege, daß es wohl der Mühe lohnt, in einem 
Blatte, welches die Belehrung über die „naturgemäße Behandlung des mensch 
lichen Körpers in gesunden und kranken Tagen" sich zur Aufgabe gemacht hat, 
die vollständigeUnrichtigkeitder Expektorationen des „alten Ketzers" 
in der Pilzfrage nachzuweisen. Da nun aber fast jeder Satz seines Artikels 
auf falschen Anschauungen beruht, so würde ich die Geduld des freundlichen 
Lesers auf eine zu harte Probe stellen, wollte ich Satz für Satz einer Be 
sprechung unterziehen. Ich muß mich also darauf beschränken, die den Kern 
der Sache berührenden Irrtümer zu berichtigen. 
Was zunächst die vom „alten Ketzer" verneinte Frage betrifft, ob die bei 
gewissen Krankheiten aufgefundenen, mikroskopisch kleinen, pflanzlichen Organis 
men (Spaltpilze, Bakterien) wirklich die alleinige Ursache dieser Krank 
heiten sind, so ist deren Lösung im bejahenden Sinne niemals am Studir- 
tische, sondern immer nur durch mikroskopische Untersuchungen, Bakterien-Kul- 
turen und Tierexperimente zu ermöglichen und da jener Herr, wie aus jeder 
Zeile seiner Abhandlung hervorgeht, sich nie mit solchen, allerdings sehr mühe 
vollen und zeitraubenden Arbeiten befaßte, so leuchtet es ein, warum die ganze 
Pilztheorie für ihn nichts Anderes, als „ein Buch mit sieben Siegeln" bleiben 
und er die Bakterien nicht als Krankheils-Erreger erkennen konnte. 
Wer sich überzeugen will, daß sie es in der That für eine ganze 
Reihe von Krankheiten sind, der vertiefe sich in das Studium der in 
den letzten 3 oder 4 Jahren von Pasteur, Huber, Klebs, Tommasi- 
Crudeli, Grawitz,Letzerich.Eberth u. v. A. verfaßten Publikationen 
— ganz besonders eignet sich zu diesem Zwecke das Kochsche Werkchen: 
„Untersuchungen über die Ätiologie der Wundinfertions- 
krankheiten" (Leipzig 1878) — und wer dann noch Zweifel hegt, der 
mache die in diesem Schriftchen beschriebenen Versuche nach. Sicherlich wird 
es ihm ergehen wie mir, der ich früher in Bezug auf die Lehre vom Con- 
tagium animatmn ein ebenso arger Saulus wie der „alte Ketzer" war, aber 
durch Selbst-Experimentiren zu einem eifrigen Paulus geworden bin. 
Denjenigen jedoch, welche noch wähnen, diese Versuche würden nur an
	        
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