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wird, welche Garantie haben denn die Käufer, daß das vvn ihnen gekaufte
Fleisch von einem als gesund befundenen Schweine entnommen ist? Sicher
heit der Untersuchung ist nur dann vorhanden, wenn der Fleischschaucr das
geschlachtete Schwein v o r seiner Zerlegung sieht, und sich die Fleischproben
selbst nimmt.
Bei der bestehenden Unsicherheit ist es also der Vorsicht angemessen, nur
vollkommen gahres Fleisch zu genießen. Die Verabsäumung dieser prophy
laktischen Maßregel wird häufig durch schwere Krankheiten (Bandwurm, Tri
chinenkrankheit) bestraft, welche nicht selten tödtlich enden. Auch der Genuß
des rohen, gehackten Rindfleisches ist nicht so gefahrlos, wie man
allgemein glaubt, obwohl das Hornvieh nur selten an Finnen, und an Trichinen
gar nicht leidet.
Abgesehen davon, daß das rohe Fleisch schwerer zu verdauen ist,
als das gahre, so findet abseiten gewissenloser Schlachter nicht selten eine
Mischung des gehackten Rindfleisches mit den Abfällen von Schweine
fleisch statt. Man erkennt diese Fälschung an der hellrot h e n Farbe,
während das Rindfleisch dunkelroth aussieht. Infolge dieser Fälschung
können auch die Liebhaber des gehackten, rohen Rindfleisches Schwcincfinneu
und Trichinen in sich aufnehmen. Das ist nicht etwa eine vage Hypothese;
diese warnende Mittheilung ist vielmehr gegründet auf Thatsachen, welche ich
in meiner Schrift „Aerztliche Beobachtungen, Forschungen und Heilmethoden",
(Verlag von Helwing in Hannover) eingehend erörtert habe.
Mag die Fleischschau, sofern sie gewissenhaft gchandhabt und streng
controlirt wird, zweckentsprechend sein, so kann doch Niemand in Abrede stellen,
daß es ungleich zweckmäßiger sein würde, die S ch w e i n e z u n ä ch st vor Finnen
und Trichinen zu schü'tzeü, um die Menschen mehr zu sichern vor diesen gefähr
lichen Schmarotzerthicrchen. Die Mittel und Wege zur Ausrottung der
Finnen und Trichinen habe ich nachgewiesen in einer kleinen, 1864 erschienenen
Schrift: „Aerztlich begründete und ökonomisch bewährte Schweinesütter-
ungs-Methode re.", sowie in der zuvor citirten Schrift. Obwohl unser
großer Virchow jene Schrift mit dem bescheidenen Titel in seinem Archiv
günstig genug kritisirte, so wird die meinerseits angeregte Idee, welche zur
Ausrottung der Schmarotzerthierchen führen sollte, voraussichtlich am Jndiffercn-
t i s m u s unserer Zeit ohne Prüfung scheitern, d. h. t o d t g e s ch w i e g e» werden.
So große Nachtheile einzelnen Menschen aus den Lebensmittel-Fälschungen
auch erwachsen mögen, so kommen sie doch nicht in Betracht im Vergleich mit
den ungleich größeren Schäden, welche durch eigenes Verschulden infolge
von Unwissenheit, Fahrlässigkeit, Genußsucht und Aus
schweifung auf die Mehrzahl der Kultur-Menscheg ohne Unterlaß einstürmen,
und Krankheiten, Epidemien, Gebrechen, Blutvcrderbniß und Siechthum zur
Folge haben.
Man möge aber bedenken, daß die Sorge für unser körperliches Wohl
uns nicht nur selbst bewahrt vor dem vorzeitigen Tode, vorangehenden Be
schwerden, Schmerzen, Martern und Qualen, welche Krankheiten und Siechthum
stets im Gefolge haben; nein, die lebende Generation hat auch die moralische
Pflicht, für das Wohl der kommenden Sorge zu tragen, und sie muß stets
beherzigen, daß die Sünden der Eltern heimgesucht werden an den Kindern
bis i n 's dritte Glied.
I. Die Erblichkeit der Blutvcrderbnitz.
Während alle Welt weiß, daß die Körper formen erblich sind, wie
die Aehnlichkeit der Kinder mit den Eltern, Großeltern, oder noch ältere» Vor-