Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

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stundenlang verweilen können! Es ist also für alle Diejenigen, die nicht schon 
ihr Beruf und der Kampf um's Dasein täglich im Freien beschäftigt, sie nicht 
zwingt, sich mehrmals im Freien zu bewegen, also für alle freiwilligen und 
unfreiwilligen Stubenhocker oberste Regel: täglich mindestens ein paar 
mal sich Bewegung in frischer, freier und wenn möglich Waldes- oder ähnlicher 
Luft zu machen und für schwächliche aber transportable Kranke und Gelähmte, 
sich hinaus fahren zu lassen, aber nicht in geschlossenem Wagen, wie man 
häufig steht! 
Daß manchmal sogar Aerzte gegen diese oberste Lungen- und 
Lebensregel fehlen, hat man voriges Jahr aus Berliner Blättern ersehen, 
in denen berichtet wurde, daß unserem Kaiser seine drei Gesundheitsräthe 
partout nicht erlauben wollten, auf dem Altane seines Palais frische 
Luft einzuathmen, worauf sie Se. Majestät mit den Worten abgetrumpft haben 
soll: „Meine Herren, das muß ich besser wissen!" Und bald darauf sah man 
den Kaiser im Lehnstuhl auf dem Balkon sitzen, die lang entbehrte frische 
Luft einathmen! (Siehe Votivtafel in Nr. 7 v. vor. Jahrg.) 
Also willst Du, lieber Leser, auch so alt werden, daun merke Dir die 
Regel, b e i T a g wie b e i N a ch t immer m ö g l i ch st frische und reine 
Luft einzuathmen. 
Die zweite ebenso wichtige Regel ist die. immer mit der ganzen 
Lunge Luft zu holen oder so tief wie möglich einzuathmen, wodurch natürlich 
mehr Luft, mehr Sauerstoff in die Lunge gelangt, eine größere Anzahl 
von Lungenbläschen gefüllt werden und in Folge dessen auch ein umfang 
reicherer Gaswechsel stattfindet und durch denselben eine vollkomme- 
ncre Blutreinigung und Neubildung. Eine Beschränkung des 
Athmens findet mau immer bei allen Handwerkern, welche in sitzender nach 
vorn geneigter Körperhaltung arbeiten müssen, ebenso bei den meisten Ge 
lehrten und Bureaubeamteu und bei unserer schulpflichtigen Jugend. Für sie 
alle ist es somit dringende Pflicht, diese schädliche Körperhaltung des Tages 
mindestens ein paarnml zu unterbrechen und durch passende gymnastische 
Uebungen in der Nähe eines offenen Fensters oder noch besser im Freien ihre 
Lungen zu größerer Thätigkeit zu veranlassen resp. zu tieferem Luftholen 
zu zwingen, wodurch mehr Lungenzellen angefüllt werden. 
Ich will nicht unterlassen, hier passend auf die von vr. Paul Nie 
meyer neuerdings wieder in Erinnerung gebrachte „Athcmhaltung" der 
Alten aufmerksam zu machen, welche darin besteht, daß man bei möglichst weit 
nach außen gerichteten Schultern, hoch erhobenen Armen und gefaltet am 
Hinterkopf angelegten Händen — t i e f A t h e m holt und dann die einge- 
athmete Luft noch möglichst lange bei sich zu behalten sucht, wodurch, wie 
leicht erklärlich, der oben geschilderte Vorgang der Respiration, nämlich der 
Sauerstostaufnahme und Kohlcnsäureabgabe, ein vollkommener werden muß, was 
allen den Personen zu Gute kommt, die im Drange des Geschäftes zu athmen 
vergessen und nur gleichsam verstohlen aus- und einathmen. 
Da so viele Menschen erst dann einen rechten Glauben an eine Wahrheit 
bekommen, wenn ihnen selbige von einer sog. Autorität bestätigt oder vor 
getragen wird, so will ich hier mittheilen, was der kürzlich nach Rom berufene 
deutsche Professor I. Moleschott über die p h y s i o l o g i s ch e W i r k u n g e i n e s 
Spazierganges im Freien sagt, und worin wir ihm nur beistimmen 
können; es lautet: 
Es erfolgt dabei eine erhöhte Herzthätigkeit — auf doppelte Weise: 
das Herz zieht sich nicht blos kräftiger sondern auch häufiger zusammen,
	        
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