Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

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Innerlich wurde auf medieamentösem Wege einerseits gegen das Fieber und gegen 
die s eP t i s ch e In f e c tion angekämpft durch Anwendung erprobter Mittel, Salicyl 
säure, benzoöfaures Natron in großen Dosen (Chinin wurde von der Groß 
herzogin nicht vertragen), andrerseits ward, worauf ich den Hauptwerth legte, die Erhaltung 
der Kräfte und die Energie der Herzthätigkeit anzustreben gesucht durch Darreichung von 
starkem Weine, Portwein, A r a c, Cognac, E i s e n ä t h e r, soweit die Jn- 
dicationen vorlagen und sie den Kranken, besonders I. k. H., beizubringen waren. In 
analogen Fällen ließ ich mehrmals 150—200 Gramm Cognac mit nachhaltigem Erfolg 
verbrauchen und bin darin in meinen Beobachtungen seit Jahren zu denselben Resultaten 
gekommen wie Charles W e \t. Daß die übrige Ernährung entsprechend dem Fieber und 
dem Kräftezustande so viel wie nur immer möglich geregelt ward, ist wohl keiner weiteren 
Erwähnung nöthig. Außerdem wurden bei I. k. H., als ein rascher Verfall der Kräfte 
einzutreten drohte, neben der Darreichung von Portwein, A r a c, Cognac, 
s u b c u t a n e Jnjectionen von A e t h e r n o cs) versuch t, ohne jedoch damit einen 
rettenden Erfolg zu erzielen. Es wäre hier noch eines Mittel s zu erwähnen, das uns 
namentlich von England aus, in mehr als einem Dutzend Zuschriften dringend empfohlen 
wurde, nämlich des Schwefel s. Derselbe wirkt nach meinen zahlreichen Beobachtungen, 
und Versuchen bei Diphtherie, in Fällen, in welchen es bereits zur eitrigen Infiltration 
der Membranen gekommen, die Faserstoff - Exsndation sistirt und der Proceß im Ablauf 
begriffen ist, einfach als Putzpulvev, das auf mechanische Weise theils durch die will 
kürlichen, theils durch die unwillkürlichen Schlingbewegungen die gelockerten Membranen 
abreibt und dadurch in rascher Weise und ohne Nachtheil für den Kranken entfernt. Darin 
liegt das ganze Geheimniß seiner Wirkung und die Erklärung von schein 
bar nicht abzuleugnenden Erfolgen, welche gewissen Zeiten seiner Anwendung, nämlich 
wenn die Exsudation bereits zum Stillstand gekommen, beobachtet werden können. Es er 
klären sich daraus auch die Erfolge, welche Pfuscher damit erzielen in Fällen, in welchen 
der Arzt längere Zeit hindurch den Kranken behandelt und die spontane Abstoßung der 
vielleicht massenhaft in der Rachenhöhle ausgebreiteten Membranen noch nicht oder noch 
nicht vollständig eingetreten ist. Im Beginn der Krankheit, bei fortschreitender Exsudation, 
ist das Mittel vollkommen wirkungslos und kann sogar bei empfindlichen reizbaren Individuen eben 
durch seine mechanische Einwirkung schädlich werden; eine specifische Wirkung kommt dem 
Schwefel überhaupt nicht zu. Auch dieses Mittel wurde bei S. k. H. dem Großherzog, 
dem Erbgroßherzog Ernst Ludwig und der Prinzessin Irene mit dem genannten Resultat 
angewandt und unterblieb später auf den ausdrücklichen Wunsch der Kranken, zumal eine 
specielle Jndication für uns nicht vorlag. Was endlich noch die Behandlung des Fiebers 
durch Wärme-Entziehung m i t t e l st k ü h l e r B ä d e r anbelangt, so habe ich 
davon bei Diphtherie keinen verlockenden Erfolg gesehen und gegenwärtig wieder meine 
früheren Erfahrungen im Concilium bei einem fremden tödtlich verlaufenden Fall be 
stätigt (?) gefunden. Man ist nur sehr selten im Stande die Körper-Temperatur 
dauernd herabzusetzen ohne die Gefahr, welche sowohl von der localen Affection 
als durch Sepsis und von dem Herzen aus droht, dadurch auch nur einigermaßen zu ver 
kleinern (?). Typhus und Diphtherie sind hier nicht identisch. Es ge 
lingt meist nur die Temperatur um wenige Decigrade herabzusetzen, und da eine 
Steigerung des Fiebers so direct von der Ausbreitung des localen Processes abhängig ist, 
wie wir dies aufs überraschendste wieder bei allen diesen Kranken beobachten konnten, so 
ist dadurch für einen günstigen Verlauf der Krankheit nichts gewonnen. Aus diesem Grunde 
habe ich in den vorliegenden Fällen die Anwendung der kühlen B ä d e r. ab 
gesehen von der hochgradigen Nierenentzündung, welche unter der Einwirkung einer dadurch 
verursachten Hyperämie eine Steigerung (?) erfahren hätte, und abgesehen von der Er 
krankung der Respirationsorgane, nicht in Vorschlag gebracht. Gegen die bestehenden 
Drüsenanschwellungen wurden F e t t e i n r e i b u n g e n und U m s ch l ä g e (?) 
angeordnet und gegen die S ch l a s l o s i g k e i t Morphiums, verabreicht. Zur Des- 
infection der mit den Kranken in Berührung gekommenen Gegenstände wurde übermangan 
saures Kali, Carbolsäure, Zinkvitriol 2C. benützt. Die Wohnräu m e der Kranker: und 
die Corridore wurden aufs gründlichste desinficirt durch Verbrennung von Schwefel, 
durch C a r b o l s p r a y , durch Auswaschungen mit C h l o r k a l k w a s s e r , durch frisches 
Tapezieren re., ganz nach den Vorschriften unserer Hygiene. — Gehen wir den Ursachen 
dieser merkwürdigen Erkrankungen am großherzoglichen Hofe nach, so werden wir unmittel 
bar auf die d i r e c t e A n st e ck u u g und Uebertragung des diphtherischen Coutagiums hin 
gewiesen, und die Fälle bieten in dieser Beziehung ein gewisses ätiologisches Interesse. Es 
i st b i s j e fe t der Nachweis noch n i ch t g e l u n g e n , daß in unseren Gegenden 
das diphtherische Contagium spontan entsteht, sei es durch irgend welche atmosphärische 
oder tellurische Einflüsse, durch Verunreinigung des Bodens oder durch Jnsalubrität der 
Wohnungen. Wir haben mehre Jahrzehnte in München, wenn wir von den früheren
	        
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