Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

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der eine gute Nase hat und denselben entdeckt, wissen, daß hier etwas faul 
ist, demnach sofort in den Mund seines Angehörigen schauen und sich dann des 
oben geschilderten charakteristischen Symptoms der Diphtherie — des grau- 
weißen Ueberzuges der Hinteren Rachenpartie — erinnern, 
welcher unter allen Umständen, sobald er entsteht, entfernt werden muß, 
weil er den aus dem Blute ausgeschwitzten Krankheitsstoff (nach Andern den 
hingeflogenen Schimmelpilz) darstellt, den man um keinen Preis längere 
Zeit auf der Schleimhaut dulden darf, weil er selbige sonst zerstört, wie auch 
das unter ihr liegende Zellgewebe. 
W i e man nun diesen Belag oder Pilz am sichersten entfernt, darüber 
sind die Ansichten der Mediziner wie immer sonst sehr verschieden, indem 
der Eine den Höllenstein, der Andere Salzsäure, der Dritte chlor- 
saures Kali, der Vierte Eisenchloridauflösung, der Fünfte 
chlorsaures, übermangansaures Kali, der Sechste Tannin, der 
Siebente Salicyl- und Karbolsäure, der Achte endlich nur — eine 
einfache Kalkwasserverdünnung ganz besonders empfiehlt, welche merkwürdiger 
weise die Lösung des diphtherischen Belages resp. des Schimmel 
pilzes so schnell und gründlich bewirke, wie kein anderes Mittel sonst! 
Merken wir uns also die Vorschrift dieses ganz unschuldigen Mittels 
genau, sic lautet: 
Man nimmt 1 Eßlöffel Kalkwasser (aus der Apotheke zu holen) und mische 
es mit 4 Eßlöffeln gewöhnlichem lauem Wasser (in großen Städten besser 
dcstillirtem Wasser!) und verwende diese Mischung als Gurgelwasser 
vollständig; hernach nehme man einen Hoefft'schen (runden Finger dicken) 
Pinsel (s. N.-A. 1876 Nr. 11), tauche ihn in pures Kalkwasser und be 
tupfe damit die Stellen, wo der Belag nach dem Gurgeln noch vorhanden 
ist, sich nicht abgelöst hat. Nach 1 / 2 —1 Stunde wird die Prozedur wieder 
holt und dieses Manöver Tag und Nacht konsequent fortgesetzt, bis 
kein Belag, kein Pilz mehr sichtbar ist; äußerlich macht man 
noch feuchtkalte Halsumschläge, welche gewechselt werden, sobald sie 
sich ziemlich warm anfühlen, weil dadurch die Halsentzündung ebenfalls im 
Schache gehalten und jenen oben geschilderten Lähmungenvorgebeugt wird! 
Bezüglich der D i ä t merke man sich, daß man dem Kranken, so lange das 
Schlucken erschwert ist, am besten kaltes Apfelcompot ohne Zucker, auch dicken 
Haferschleim mit etwas Citronensaft, gegen Durst frisches, im Sommer gekühltes 
Wasser giebt und erst, wenn das Schlucken ohne Schmerzen möglich und die 
Zunge reiner geworden ist, consistentere vegetabilische Speisen, aber stets 
mehr abgekühlt als warm oder gar heiß. 
Daß die L u f t im Krankenzimmer stets rein, frisch und kühl erhalten 
werden muß und alle Auswurfs st offe sofort zu entfernen sind, 
übersehe man ja nicht, auch sollen die von den Kranken benutzten Geräthe von 
Anderen nicht gebraucht und Niemand sonst zu ihnen gelassen werden, als die 
zu ihrer Bedienung bestimmte Person, womit dann jedes unnöthige und ver 
derbliche Küssen von selbst vermieden wird. 
Um jede weitere mögliche Ansteckung zu verhüten, ist während der 
Krankheit die größte Reinlichkeit im Zimmer, wie am Bette und der Be 
kleidung des Patienten zu beobachten und nach dessen Genesung eine gründliche 
Desinfection des Krankenzimmers, wie der von ihm gebrauchten Utensilien 
vorzunehmen. 
Aus Vorstehendem könnte man fast annehmen, daß ich der medizinischen 
Anschauung huldige, nach welcher es sich beim diphtherischen Krankheitsproceß
	        
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