Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

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zur letzten Todesstunde andauernde Freudigkeit. Nehmen wir ein Beispiel an 
ihm und führen wir die Arbeit, die seinen todesmüden Händen entfiel, weiter 
fort, Einer für Alle, Alle für Einen, die Erlösung der leidenden Menschheit 
von dem Joche der Mediziner überhaupt und zunächst von dem Joche der 
eitrigen Gifte aus kranken Menschen-, Kuh- und Kälberleibern! 
Nachwort von Gustav Wolbold. 
Ich muß hier, corrigirend meine Bemerkung über Dr. Germann in Nr. 12 vom vorigen 
Jahr noch beifügen, daß mir damals unbekannt war, wie eifrig derselbe bemüht gewesen, 
auch unter seinen Collegen den Jmpfwahn 51t bekämpfen, nicht blos beim Publikum! Es 
ist mir dies erst kund geworden aus dem Nachrufe, den Dr. Oidtmann in Nr. 23 und 24 
des Journals für ö f f e n t l i ch e G e s u n d h e i t s p f l e g e, herausgegeben von Dr. Bi s en z 
(). litar. Beil.) seinem Collegen und Mitstreiter gewidmet hat. Er sagt darin an einer 
Stelle Folgendes: 
(1er m ann aber war durch das buchhändlerische Fiasko seines Reformwerkes 
nicht entmuthigt. Die abweisende Haltung der Aerzte und der Aerzte vereine 
schien ihm gerade der beste Beweis für die Reformbedürftigkeit der ärztlichen Wissen 
schaft. Er versandte daher jetzt aus seinem Büchervorrath, soweit seine Kasse zur 
Frankirung der Packete noch reichte, tausendweise Gratisexemplare in 
alle Welt, an Aerzte, Abgeordnete und andere einflussreiche Männer im In- und Auslande. 
Undank gegen den „Sectirer“, der durch seinen Anschluss an die Sippe 
der Impfgegner seiner Würde als Professor der Medizin viel vergeben, die 
impfgläubige medizinische Fakultät profanirt hatte, war der 
Lohn für seine Missionsarbeit! Aber Germann’s Idealismus im Dienste 
der von der ärztlichen Wissenschaft zelotisch verfolgten un geimpften Säuglinge 
erlahmte nicht, ln dein Maasse, wie es mit seiner Gesundheit und seiner Kasse zur 
Neige ging, wuchs sein Muth, seine Ausdauer im ungleichen Kampfe gegen den 
ärztlichen Aberglauben. Er, der bereits selber darbte , er, dem der noch 
nicht verschenkte Rest der grossen Auflage seines Werkes daheim den Laden hütete, 
besass die beispiellose Selbstverleugnung, dieses sein eigenes Geistesproduct wie 
Makulatur liegen zu lassen, sein Besitzthum zu versilbern , und sich aus dem Erlös 
schon allein von mir für mehr als 600 Mark impfgegnerischeBuchvorräthe 
aufzukaufen und ungezählt auf seine Kosten an die Aerztewelt zu verschicken! 
Germann’s letzte grosse T h a t im Impfstreit war die Massenverbreitung jener 
bekannten Rie sen-Annonce in allen grossen deutschen Zeitungen. Dieses Inserat 
hat den Protest gegen den Impfzwang in mehr als einer halben Million 
Exemplaren bis in die kleinste Hütte getragen! Aber auch hierbei hatte der gute 
Professor sich wieder einmal verrechnet, denn wir sehen nicht nur das grosse Pu 
blikum, nicht nur die Volkspresse, sondern auch die Aerzte in dem wogenden Kampfe 
zwischen Impfung und Hygieine, d. h. zwischen Aberglaube und Wissen 
schaft nach wie vor gleichgiltig auf der Seite des Aberglaubens stehen 
bleiben, ein Zeichen, dass der Hang zum Aberglauben im Volke noch mindestens 
eben so gross wie im Mittelalter ist, nur dass die Objekte verschieden und die Au 
toritäten für den Aberglauben andere geworden sind; denn während man vor 400 
Jahren bei Ausbruch einer Seuche unter Acclamation des hohen und niedern 
Pöbels ohne Weiteres die unschuldigen Jude n als die Urheber der Seuche und 
als Brunnenvergifter anklagte und verfolgte, sehen wir heute die Vertreter einer 
grossen Nation auf eine falsche Denunziation der Aerzte hin die u n schul 
digen ungeimpften Kinderchen des Frevels beschuldigen, die Pocken 
in’s Land zu zaubern — eine Anklage, deren Urheber man nach 50 Jahren 
auf Zurechnungsfähigkeit untersuchen lassen würde! — 
Was lernen wir nun aus der Germanischen tragischen Lebensgeschichte? 
Daß es höchst thöricht ist, für einen so abergläubigen höhern und niedern 
Pöbel seine Existenz und sein Dasein ohne Weiteres zu opfern, indem man 
recht wohl der guten Sache der Aufklärung nach seinen Kräften und um 
so länger dienen kann, je mehr man dabei seine eigene Daseinsberechtigung 
und Wohlfahrt nicht ganz aus den Augen läßt, denn wenn wir todt sind 
können wir ja Nichts mehr nützen!
	        
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