Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

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entschieden nutzlos (nicht auch gefährlich?) und bloße Concession, welche 
bei dem Aberglauben des Patienten und zur Befestigung seines Vertrauens wirk 
lich oft unerläßlich (?) ist!" Nach diesem radikalen Erguß lenkt Wunder 
lich aber sogleich wieder in die Apotheke ein, indem er sagt: „Wenn aber die 
Arzneimittel streng genommen oft genug ganz entbehrlich (und 
gefährlich! d. R.) sind, so können sie doch in andern Fällen mehr oder weniger 
wesentlich nützen (?) und unterstützen und sehr häufig hängt von der 
Anwendung eines kräftigen (?) (giftigen! d. R.) Medikaments entschieden die 
Wirkung zur Besserung ab! Um aber eine solche Wirkung nicht zum Voraus 
zu annulliren und unmöglich zu machen, muß man den Grundsatz festhalten, 
nicht von vornherein und ohne alle Nöthigung den Kranken mit Droguen 
zu füttern, oder doch sich, so lange keine scharfe Indikation eintritt, mit jenen 
Klassen milder Mittel zu begnügen, welche sich dem diätetischen Verhalten 
anschließen, oder nur eine mäßige Wirkung äußern. Wenn ein unentschlossenes 
Zögern zuweilen den Kranken zu Grunde richtet, so ist doch das plumpe 
und blinde Dreinfahren mit starkwirkenden Arzneien unendlich 
häufiger verderblich (also doch!) und der vorsichtige, mit Droguen sparsame 
Arzt wird sicher günstigere Resultate haben, als der unermüdliche Re- 
ceptenschreiber!" 
Und welches Ende hat nun dieser zwischen Wahrheit und Dicht 
ung hin und hertappende geniale und charakterlose Gründer der phy 
siologischen (d. h. gesunden t) Medizin genommen? Er starb horribile 
clictu an der Mvrphiumsucht, d. h. an den nachtheiligen Folgen der Mor 
phiumeinspritzung unter die Haut, welchem amerikanischen neuen Genuß 
mittelschwindel dieser große Wissenschaftsmann stark gefröhnt haben soll! — 
Es erübrigt mir nun noch die Hindeutung auf eine andere Heilsschule, 
die ebenfalls mit dem alten Arzneizopf total gebrochen hat, die W i e n - 
Prager oder sog. exspectative Schule mit ihrer nihilistischen 
Therapie, welche von Skoda, Dietl in Wien geschaffen und von Hümernik 
in Prag vertreten wurde; dieselbe tröstet sich mit der Naturheilung und 
der Hoffnung auf eine sichere wissenschaftliche Zukunftstherastie! 
Hamern ik's Klinik in Prag repräsentirte den wirklichen thera 
peutischen Nihilismus, der sich nach der praktischen Seite hin blos 
mit der Erforschung des Naturheilungsgebietes befaßte, im Uebrigen 
aber durch bittere Ausfälle und Satyren die alte Therapie beharrlich nach 
Kräften heruntermachte, was dann endlich die Verabschiedung von seiner Uni 
versitätsstellung zur Folge hatte. Wo der Skeptiker Hamernik aber doch 
Farbe bekennen mußte — denn mit blosem Zusehen (Nihilismus) ist 
keinem Kranken geholfen —, da neigte er sich entschieden der neu auftauchen 
den Hydrotherapie zu, weshalb der früher so radikale und dann 
schmählich sich rückwärts concentrirende Wunderlich in seiner Ge 
schichte der Heilkunst von ihm sagt: „Bei gediegenen Kenntnissen in 
vielen Hinsichten, bei reicher Erfahrung, bei größter technischer Uebung und 
ohne Zweifel ganz reinem Streben nach Wahrheit hat H. mehr als 
irgend ein Anderer in neuester Zeit verwirrend gewirkt!" — 
Wir müssen nun abwarten, wie sich die neueste hygieinische (hippo 
kratische) Schule-, als deren Repräsentant wir aus dem Obigen den Herrn 
Sanitätsrath vr. med. Niemeyer zu betrachten haben, für die Zukunft 
bewähren wird, der laut Prospect zu seiner Gesundheitslehre sich 
vorgenommen, nicht blos der U e b e r s ch ä tz u n g der veralteten Recept- 
medicin, sondern auch den Ausschreitungen und Fehlgriffen ent-
	        
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