Volltext: Der Naturarzt 1879 (1879)

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wieder aus der Apotheke erheben können, während die rechte 
Parole doch nur lauten kann: Non. medicamentis, sed medica mente !*) 
Ergänzende Bemerkungen von Gustav Wolbold. 
Ich erlaube mir hier beizufügen, daß ich Vorstehendes nicht w ö r t l i ch nachgeschrieben, 
sondern der „Chemnitzer Zeitschrift" (Dr. Niemeyer hat nämlich in Chemnitz, wie auch 
in M i t t w e i d a und in Berlin den nämlichen Aufsatz zum Besten gegeben) entlehnt 
habe, weil ich selbst wenig davon verstanden, da Dr. Niemeyer hier wie anderswo nicht frei 
vorgetragen, sondern hinter einem Stehpult sitzend, auf einem Podium vom Blatte abgelesen 
hat, wobei ich, obwohl ganz in seiner Nähe befindlich, vom Sprecher nur den behaarten 
Theil des Ko p f es sehen konnte, was für mich, den Dank der medizinischen Behandlung 
im Scharlachfieber in frühester Jugend mit einem Gehördcfect Begnadigten, recht störend 
war, weil das Absehen des Gesprochenen vom Munde bekanntlich das Höre n 
wesentlich unterstützt; doch einem neben mir sitzenden guthörenden Bekanntendes 
Dr. Niemeyer selbst ging es nicht besser, indem ich denselben öfters beide Hände hinter 
seine Ohren halten sah, vermuthlich um die Schallwellen besser aufzufangen; wie mag es 
nun den Zuhörern 50 und mehr Schritte hinter uns und auf den Gallerten ergangen 
sein, welche nichts d e st o weniger a b e r d o ch am Schlüsse der Vorlesung ihr 
herkömmliches Bravo, Bravo erschallen ließen?! 
Ich muß mich also bei Beurtheilung dieses N.'schen Aufsatzes an die vor 
stehende Chemnitzer Wiedergabe halten und erlaube mir darauf hin die Bemerk 
ung, daß es mir auffallend, warum Dr. N. nicht erwähnt, daß schon im grauen 
Alterthum unter den Griechen ein Mann lebte, Namens Hipstvkrates, geb. 
460 Jahre vor Christus, welcher, aus dem Geschlechte der Asclepiaden 
— Priester mit ärztlichen Kenntnissen — stammend, schon den Lehrsatz auf 
stellte : Natura sauat, medicus curat — d. h. di e Natur heilt, der 
Arzt hat nur dafür zu sorgen, daß sie heilen kann, und dem 
gemäß als der erste bekannt gewordene Naturarzt seine ganze Krankenbehand 
lung auf die Vorschrift einer einfachen Diät beschränkte, auch Fasten nach 
Umständen, auf Luft- und Wassergenuß, innerlich wie äußerlich, active 
und passive Bewegung und sehr wenige unschuldige Pflanzenmittel. Also 
schon um diese Zeit gab es eine hygieinische Schule trotz damaliger 
sehr mangelhafter medicinischer, d. h. anatomischer und physiologischer Kennt 
nisse, welche aber doch ihre Kranken recht brav kurirte, nicht heilte. 
Von diesem priniitiven und reellen ärztlichen Standpunkte zweigten sich aber 
schon die arabischen Aerzte, noch mehr aber der von Niemeyer eitirte Para 
celsus ab Hohenheim ab, welcher lehrte, daß es in allen drei Reichen 
der Natur Heilmittel sür jede Krankheit gebe, die man nur auf 
suchen müsse und so der Vater der Qu a cksalbersch ule, der eigentlichen 
Medikaster wurde, welche nach und nach in dem Heilmittelwahn so excessirte 
und auch die Kranken schaaren weise durch ihreGifte vorderZeit 
auf den Kirchhof beförderte, daß es dem himmlischen Vater eines 
Tages in unserem Jahrhundert doch zu toll wurde und darum der ärzt 
lichen Wissenschaft, welche den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah, d. h. 
den obigen hippokratischen Spruch ganz vergessen hatte, wie zum Hohne einen 
Hippokrates redivivus in der Person des ganz ungelehrten Bauern 
Vincenz Priefznitz auf G r ä f e u b e r g auftreten ließ, welcher ohne alle Arz- 
*) Anmerkung.. Eine Verdeutschung bringt Herr Canitz nicht, obwohl er sich sagen 
muß, daß die wenigsten seiner Leser wissen können, was diese Worte bedenken und auf 
meine Zmalige briefliche Anfrage, wie Dr. Niemeyer dieselben verdeutscht, erhielt ich keine 
Antwort von ihm und einige Herren, die die Vorlesung hier mit anhörten, wußten auf 
mein Befragen sich dessen nicht meyr zu entsinnen, so oberflächlich wird von den Meisten 
die Sache genommen; man geht in eine Vorlesung, hört sie an wie ein Concert und ist sie 
vorbei, so ist's gut! Einen Nutzen haben die Wenigsten davon! W.
	        
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