Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Min Besuch bei der vr.-BSurin Drau Amalie Hohenester 
in Mariabrnnn bei München, 
nebst meinen Reflexionen über ihre Kurmethode 
von 
Gustav Wolöotd. 
(Schluß.) 
In der Zeitschrift „Der Kursalon" Nr. 2 von 1878 wird der Doktor- 
bäurin ebenfalls ein Nachruf gewidmet unter der Ueberschrift: „Eine 
selbstgemachteFrau", welchem ich Einiges entnehmen will: es heißt darin: 
Amalie Hohenester, die Doktorbäurin ist todt! Doktorbäu rin? Nicht 
doch ! Die Aristokratendoktorin par excellence ! Nicht biedere Landleute trugen 
die Zipfel ihres Bahrtuches, legten blühende Todtenopfer auf ihren Sarg. Zu ihrer Be 
erdigung hatte die F ü r st i n Fugger von Babenhausen 2 Palmzweige, eine Groß 
fürstin ein Beileidstelegramm und Erzherzogin Elisabeth einen Kranz nach 
Mariabrunn überschickt. EinCorrespondent besichtigte die Sammlung von Geschenken, 
welche die Doktorbäurin Jahre hindurch erhalten hatte. Man findet da ein prachtvolles 
goldenes Collier mit perlen- und edelsteingeschmücktem Medaillon von der Herzogin von 
Mecklenburg, von der G r o ß f ü r st i n Konstantin einen — Glaube, Liebe, Hoff 
nung darstellenden Schmuck, von der Gemahlin des Herzogs Ludwig von 
Bayern einen sehr werthvollen Schmuck, von der Erzherzogin Elisabeth zwei 
Geschmeide, von der Großfürstin Wera von Württemberg ein Silberservice, 
von der Herzogin von Württemberg ein goldenes Kreuz, das die Verstorbene 
gewöhnlich trug, von der Gräfin Fugger ein perlengefaßtes Kreuz, dann hunderte von 
Bracelets, Ringen rc. Die russische Kolonie, welche Mariabrunn alljährlich bevölkerte, 
hat ihr mehrfach ein Album gewidmet. 
Wahrlich, für eine Bauerndoktorin eine gar hohe Clientel und eine dank 
bare obendrein! Man zischelte sich hier und da in die Ohren, die Anfeindungen, welche 
Amalie Hohenester all' ihr Leben lang von berufener (ärztlicher) Seite erlitten, 
habe ihren letzten Grund in diesem Umstande! Bosheit, nichts als Bosheit! Doch sei 
dem wie immer. Es war jedenfalls eine merkwürdige Frau! Hochinteressant, nicht 
allein für die Psychologie der hohen Societät, sondern auch für die Beleuchtung der Räthsel 
des „e w i g W e i b li ch e n " ! „Sie besah d a s Was ser und c u r i r t e mit Kräutern," 
so hieß es spöttisch, wenn von der Kurmethode der Hohenester die Rede war. Dieser 
Spott erklärte sicherlich nicht den hoch- und weitreichenden Umfang der Clientel 
der verstorbenen Doktorbäurin. Es müssen wohl in dieser merkwürdigen Frau Charakter 
eigenthümlichkeiten vereinigt gewesen sein, welche sie befähigten, ihren Einfluß so weit und 
tief zu begründen. Fast möchte ich glauben, daß sie die Menschen verachtete, denn das ist 
der kürzeste Weg, ihnen zu i m p o n i r e n. Sicher bin ich, daß Amalie H o h e n e st e r 
eine hohe Intelligenz ihr eigen nannte; sie hätte sich sonst nicht so dauernd auf der Höhe 
zu erhalten vermocht. Ueber ihre Kur Methode wage ich kein Urtheil; es geht mich an 
dieser Stelle wenig an, ob sie rationell war oder Humbug, ihre Patienten glaubten 
daran und warum sollte der Glaube, der Berge versetzt, nicht auch einen B l a s e n st e i n 
a l i e n i r e n können ! Ihre Patientinnen waren Damen der höchsten A r i st o k r a t i e, 
nervös e,blutarme Damen also; sie brauchten L u f t, V e w e g u n g , Z e r st r e u u n g 
und einen energischen Willen, der ihre Vapeurs und ihre Diät meisterte; sie fanden 
alles Erstere in dem Waldidille Mariabrunns, das Letztere zweifellos in der Person 
der Amalie H o h e n e st e r. Wehe dem Patienten, der sich ihren Anordnungen nicht 
fügte. Basirten diese auf bäuerliche Lebensführung, — um so besser! 
Und das Journal für öffentliche Gesundheitspflege und 
Volks wirthschaft, her. v. Dr. Bisenz in W i e n bringt in seiner Nr. 8 
ebenfalls einen - Artikel mit Ueberschrift: „Die Doktorbäurin", welcher 
wirklich ein Helles Streiflicht auf dieses medizinische Phänomen wirft; er lautet 
großentheils wörtlich: 
Eine Reihe von Feuilletons und Notizen in allen politischen Journalen des In- und 
Auslandes variirt das bekannte Thema der Mariabrunner „Wunderkuren" in mehr oder 
minder gleichmäßiger und eintöniger Manier. Der vor Kurzem erfolgte Tod der Verüberin 
jener Kuren, der „b e r ü h m t e n D o k t o r b ä u r i n" A. Hohenester, gab das Signal zur
	        
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