Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Verhandlungen vorliegt, beide Schimpfnamen im wahren Sinne des Wortes mit Recht 
gar nicht verdient! Erstlich behandelt sie, wie von glaubwürdiger Seite versichert wird, 
die Krankheiten nach bestimmten Grundsätzen mit Bewußtsein und einer bewundernngwürdigen 
Sicherheit und dann besitzt sie inhaltlich eines vorliegenden Zeugnisses von Dr. Arnold auch 
eine solche Kenntniß des Organismus, daß man ihr ganz füglich Kuren anvertrauen könne 
und zudem hat sie noch eine ganz besondere Fertigkeit, alle Krankheiten aus der Beschaffen 
heit des Urines zu erkennen, worin sie es zu einer seltenen Meisterschaft gebracht. Wer 
eine Sache besser macht, als die dazu Berechtigten, verdient doch wahrlich nicht den 
Namen eines Pfuschers, sondern vielmehr Jener, der sie verdirbt! Noch weniger er 
scheint sie als Ouacksalberin; sie preist ihre Heilmittel nicht an, und mißt ihnen keinerlei 
Wirkungen bei, die sie nicht besitzen, um Vertrauen zu erwecken und Geld zu verdienen. 
Ihr Vertrauen ist rein das Ergebniß ihrer glücklichen Kuren, wofür sie Bezahlung nicht 
fordert. Demnach ist ihre Krankenbehandlung keine blos blinde Nachäfferei der ärzt 
lichen Befugnisse, sondern eine originelle und zeigt mehr ein Streben nach Verwerthung 
ihrer besonderen ärztlichen Begabung oder ihres angeborenen Talentes zum Wohl der Leiden 
den ohne alles Interesse. Deshalb verdient sie durchaus nicht die entehrenden Namen 
einer medizinischen Pfuscherin oder Quacksalberin, sondern vielmehr den einer — 
Naturärztin!! 
Dr. Gleich läßt sodann den Abdruck eines Passus aus dem „Nürn 
berger Anzeiger" vom 23./8. 62 folgen, welcher lautet: 
Diese sogenannte Quacksalberin trotz dem Obermedizinal-Kollegium bringt in Erinner 
ung, wie nothwendig es sei, die ärztliche Praxis sowohl den studirten Medizinern, als auch 
Jedem, der sie zu treiben versteht und sich Vertrauen zu verschaffen weiß, frei zu geben! 
Ueberhaupt ist nichts dem Zeitbewußtsein widersprechender, als wenn der Staat sich an 
maßt, dem Kranken einen Arzt aufzuzwingen und nicht>dem, der heilen kann, 
zu heilön gestattet! (Seit 1869 ist nunmehr in Deutschland die freie Praxis 
gestattet. D. R.) 
Dann theilt er die in Nr. 262 des „ B a y r. L a n d b o t e n" enthaltene An 
nonce über ihre Arretirung mit, welche also lautet: 
Offene Frage an alle Rechtskundigen Bayerns: Ob es nach unsern gegen 
wärtigen Strafgesetzen noch möglich ist, daß eine mit Haus und Hof angesessene Person, 
welche weder eines Verbrechens noch Vergehens angeklagt ist, auch nicht unter Po 
lizei-Aufsicht steht, durch eine Bezirksamts-Kommission in Begleitung von 6 Gendarmen bei 
hellem Tage in ihrer Behausung arretirt, mittels eigenen Gefährtes in Begleitung der 
Gendarmerie in die Frohnfeste abgeführt, daselbst über Nacht behalten und erst am andern 
Morgen nach Publikation eines polizeilichen Skrafbeschlusses wieder entlassen werden darf? 
Im Weiteren bringt er den langen und interessanten Artikel in Nr.270 
und 271 des „Bayer. Landboten" über die „Wagner-Bäurin in 
Deisenhofen", welcher in gewissen Kreisen sehr mißfallen haben müsse, denn 
er geht der Medizin Heilkunde selbst intensiv auf den Leib, sagt 
geradezu, daß die Allopathie für ihre Heilmittel und Heil 
methode gar kein Princip habe, denn dem Studirenden wird blos ge 
sagt: bei dieser Krankheit wendet man solche Mittel an, sagt ihm aber nicht, 
warum$ Alles ist bei dieser Heilwissenschaft eben Sache der Empirie und 
des persönlichen E r k e n n e n s! Ein Passus in demselben lautet wörtlich: 
Kann die Wissenschaft (Medizinal - Kollegium) an den Vorgängen in Deisenhofen 
auf eine ihrer Würde angemessenen Weise ein Interesse nicht findeil, so sollte werrigstens 
die k. Regierung noch ein anderes Interesse kennen, als das der Handhabung der Polizei- 
verordnungen; denn sie kann leicht konstatiren, wenn sie will, daß in Deisenhofen nicht 
blos Heilung gesucht wurde von Tausenden, sondern daß sie dort auch Heilung ge 
funden haben! Der k. Regierung muß aber nicht blos daran liegen, wer kuriren darf, 
sondern auch daran, wer mit gutem Erfolg kuriren kann! Und von diesem Stand 
punkt aus wünschen wir, sie möchte sich durch die Wichtigkeit dieses Thatbestandes in D. 
veranlaßt sehen, die Sache dieser Frau amtlich in Beziehung auf ihre Kenntnisse und ihre 
Befähigung zu untersuchen, und hat sich ihre Befähigung als eine genügende herausgestellt, 
dann werter zu veranlassen, daß dieser Frau die allerhöchste Bewilligung ertheilt werde, 
öffentlich und frei kuriren zu dürfen. So erfordert es das Interesse des öffent 
lichen Wohles und der Wissenschaft!
	        
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