Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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als praktischer Arzt und städtischer Impfn rzt, er ist Familienvater und 
besitzt zur Zeit zwei Kinder im i m p f p f l i ch t i g e n Alter, welche er aber 
bis jetzt weder selbst impfte, noch von einem Kollegen impfen ließ, weshalb er 
durch seinen Bürgermeister Namens Avenarius am 12. October v. I. 
schriftlich aufgefordert wurde, sich über die Gründe dieser seiner gesetzwidrigen 
Handlungsweise auszusprechen. Dr. Oidtmann that dies in einem längeren 
Schreiben vom 22. October, worin er sagt, daß seine Beweggründe, 
weshalb er seine Kinder nicht impfen lasse, sich wesentlich von denen 
der meisten Jmpfgegner unterscheiden, denn nicht, weil das Impfen die 
Gesundheit schädigt, nicht, weil man Gefahr läuft, "iit 
überimpfen zu lassen, nicht, weil die Jmpfspielerei keinen Schutz vor den 
Pocken gewährt, auch nicht, weil der Impfzwang ein tiefer Eingriff 
in die persönliche Freiheit der Eltern ist, weigere er sich, seine Kinder 
impfen zu lassen, sondern weil der zwangsgesetzliche Glaube 
an einen Impfzauber der gröbste Verstoß gegen den gesunden 
Mensche nverstand ist und weil jedes erzwungene Bekenntniß 
dieses Glaubens die „freie Wissenschaft im modernen Staat" (Virchow) 
beleidigen würde! Die M o t i v e des Reichsimpfgesetzes — sagt Dr. Oidtmann 
ferner — beruhen auf historischen Unwahrheiten, ans Irrthümern, auf 
Card in alfehlern in den sta tistischen Aufn a hmen und im Ver 
rechnen der Pockenzahlen! Die Beweise für diese seine starken 
Behauptungen liefert er in drei als Flugschriften erschienenen Abhandlungen. 
Die eine derselben führt den Titel: 
Dr. H. Oidtmann als Jmpfgegner vor dem Polizeigericht: 
Weshalb ich meine Kinder nicht habe impfen lassen. Eine V e r t h e i d i g u n g s f ch r i f t. 
Zugleich Antwort als Arzt und Vater auf ein landräthliches Schreiben, betr. Jmpf- 
Weigerung. E i n e S ch r i f t f ü r A l l e, welche d e m A b e r g l a n b e n a u f 
m e d i z i n i f ch e m G e b i e t e a b h o l d f i n d. Preis 1 M. 
In diesem Buche heiszt es u. A.: „E i n e v o n d e n m o r a l i s ch e n Q n e l l e n 
des allgemeinen ärztlichen Irrens in der Jmpffrage!" 
Er sagt darin wörtlich: 
Der Thilenius'sche Vorschlag, den Impfzwang einfach durch eine Urabstimm 
ung aller Aerzte gutheißen zu lassen, fordert uns Jmpfgegner zur offenen Besprechung 
eines kitzeligen Punktes heraus, dessen blose Erwähnung bisher schon für eine Be 
sch i m p f u n g des ärztlichen Standes angesehen wurde, ich meine den Antheil, den die 
i m p s ä rz t l i ch e n Sporteln an der B e i b e h a l t u n g des ImPfgeschäftes 
haben. Man muß, wie ich selbst, 15 Jahre Jmpfarzt gewesen sein, muß als vertrauter und 
angerufener Schiedsrichter das Gezänk zwischen Kollegen um impfärztliche Ge 
bühren mit angehört; muß den Neid und das Wettrennen v o n Kollege n um 
eine neu ausgeschriebene Jmpsarztstelle, das Auf- und Ab sch ra u b en der Jmpf- 
t a x e n persönlich beobachtet haben, um Ekel zu empfinden und zugleich den mächtigen 
Einfluß zu verstehen, den 66teri8 xarivu8 die gesicherten Geldeinnahmen einer guten 
Jmpfpraxis a u f die I m p f g l a u b e n s st ä r k e der Aerzte und auf ihr Festhalten 
am Im pszw an ge ausüben! Wenn ich die Entrüstungsresolutionen mancher Aerzteversamm- 
lungen über den angedeuteten Vorwurf der Jmpfsportelinteressen lese, dann denke ich bei mir : 
ich weiß das besser, jene puritanischen Ereiferungen sind nur Deklamationen venu grünen 
Tische. Wie mancher mir befreundete College hat halb Scherz, halb Ernst mir bereits 
offen gestanden , daß , wettn wir Aerzte die I m p f l a st e n unentg elblid) z n 
t r a g e n v e r p f l i ch t e t würden, die Gründe gegen das Impfen, die Beweise für die 
Schädlichkeit des Impfe ns alsbald wie Pilze aus der Erde wüchsen und die 
Impfung rasch abgeschafft sein würde!!! 
Die Impfung ist und bleibt für die Aerzte eine G e l d e i n n a h m e q u e l l e, 
welche allein für Deutschland mehr als eine Million Mark jährlich abwirst! Mit 
der Ausrottung des Jmpfglaubens im Volke wird diese Quelle trocken gelegt!! 
(Und der Hunger thut w e h! D. R.) 
Zu dem materiellen Interesse am Jmpf-Geschäste rechne ich übrigens nicht
	        
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