Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Aussicht gestellt, sei es im nächsten Jare noch immer Zeit, ser warscheinlich 
komme cs aber gar nicht dazu! Darauf gab mir Patientin die Hand und 
sagte: sie danke mir von Herzen, daß ich ihr wider frischen Mut eingeflößt 
und die Sache so natürlich dargestellt habe, weshalb sie nun selbst einsehe, daß 
man eben Geduld haben und der Natur Zeit lassen müsse zur Besserung und 
Heilung; sie wolle nun gern von ircs Bruders Güte Gebrauch machen, hir 
bleiben und die Kur unter meiner freundlichen Beratung fortsetzen. 
Da im Jare 1851 noch ein medizinisches Monopol für Krankenbehandlung 
existirte und jeder gute Rat eines Laien auch bei Kranken, wo approbirte 
Aerzte mit ircm Latein zu Ende waren, unter Kategori „Kurpfuscherei" 
gehörte, so setzte Herr A. seinen Hausarzt, den nachherigen Medizinalrat Dr. H. 
davon in Kenntnis, was in seinem Hause nunmcr geschehen solle, damit er 
mit seinem breiten Buckel mich schützend decke. Derselbe war ein kluger Mann, 
und lis sich willig herbei, bei disem reichen Kunden, den er nicht verliren 
wollte, wöchentlich einen Besuch zu machen, wobei er ein Schälchen Käse oder 
ein Glas Wein noch obendrein profitirte und Nichts zu tun hatte, als die 
Dame en passant zu fragen: „Wi get es Inen?" — Mich bekam er ni zu 
sehen, oder umgekert — ich ihn nicht, da man es schon so einrichtete, daß wir 
nicht einmal miteinander carambolirten! Also — mein guter Hausdoctor, ein 
gesuchter Chirurg, der erst später ein mediz. Examen machte und dann Medizinal 
rat wurde, besichtigte den Fus nun ebenfalls bei seiner ersten Visite, hörte 
ruhig die vorstehende Krankengeschichte an und die Prognose, welche seine 
Kollegen gestellt und — gab z u, daß man im Früjar den Fus immer 
noch abnemen könne, wenn derselbe bis dahin sich nicht gebessert habe. Ob 
die fernere Wasserbehandlung aber eine solche Besserung herbeifüren werde, 
das wisse er nicht, sei aber gar nicht dagegen, daß mit derselben noch ein 
par Monate fortgefaren werde. Dise huldvolle, herablassende und diplomatische 
Antwort teilte man mir andern Tages mit, als ich meinen zweiten-BLsuch 
machte und forderte mich nunmer auf, mit meinem Behandlungsvorschlag heraus 
zurücken, damit die Kur sofort one Säumen begonnen werden könne, nachdem 
jetzt kein Hindernis mer im Wege stehe. Nun erkundigte ich mich, wie die Be 
handlung in Herrenalb gewesen sei und gab dann der Patientin deutlich zu ver 
stehen, daß die Kost dort für iren bewegungslosen Zustand eine zu 
reichliche gewesen sei, weshalb ihr Körper tagtäglich nur immer zu tun hatte, 
um das eingefürte Material zu verarbeiten, und deren Schlacken fortzuschaffen, . 
und so keine Zeit fand, um die Wunden zu heilen, deshalb werde sie es ganz 
in der Ordnung finden, wenn ich ihr so lange, bis sie nicht one Krücken 
nach Cannstat laufen könne, den Brodkorb höher hänge. Dis leuchtete ihr 
ein und somit rückte ich mit meinem mitgebrachten deutsch geschribenen Recept 
heraus, welches lautete: 
Kurverordnung! 
Morgens eine feuchte Ganzpackung mit extra Rumpf- und Beinumschlag 
bis zur guten Erwärmung, ca. 2—3 Stunden, dann Halbbad von 22° E. 
mit Uebergus von 20 und Frottirung des ganzen Körpers mit Ausschlus des 
kranken Beines, welches blos abgespült wird, dann abgestreift und auf's Lein 
tuch im Bette zurück, wo kräftig trocken geriben und Pat. bis zur guten 
Widererwärmung ligen bleiben mus und dann erst sich ankleiden lassen und 
zum Früstück in den Salon mit den Kranken humpeln darf. Um den 
kranken Fus bekommt Pat. Tag und Nacht einen zweifachen feuchten Umschlag 
bis zum Kni herauf mit dicker wollener Bedeckung, bei dessen Erneuerung, so 
oft er recht warm geworden, ein Beinbad von erst 24 bis herunter zu 20° E.
	        
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