Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Panorama bot sich meinen Augen hier? Vor mir in der Tiefe das Silber- 
band des Varcrs Rhein mit Schiffen oller Art auf seinem breiten Rücken, 
Eisenbahnen zu beiden Seiten, auf denen ich Züge fahren sah und — hörte, 
wenigstens momentan das Gepfeife der Locomotiven, in einiger Entfernung die 
Stadt Co blenz mit der weithin sichtbaren Festung Ehren breitstein, 
seitwärts unter mir das in mittelalterlichem Stil aufgeführte Schloß mit seinen 
Thürmen, über mir ein azurblauer Himmel mit leuchtender Sonnenscheibe, mir 
gegenüber jenseits des Rheines auf vorspringendem Bergkegcl die restaurirte 
Burg Lahn eck und ringsum, nah und fern, alle Vegetation in herbstlicher 
Färbung; ich konnte nüch kaum satt sehen und setzte mich aus einen gefällten 
Baumstamm, öffnete meine Reisetasche, nahm einen kindskopfgroßen Fellinger'- 
schcn Apfel und eine Butlerscnunel heraus und verzehrte Vormittag 11 Uhr 
mein erstes Frühstück, denn ich hatte, seit ich in Cöln das Bett verlassen, noch 
nichts genossen; dann trottelte ich, die Serpentinen auf Fußpfaden abschneidend, 
so gut es meine marode tibia erlaubte, nach Capellen hinab, um noch mit 
dem 12 Uhr-Zug per Bahn nach Boppard zu fahren. In diesem uralten 
Rhcinstädtchen angekommen, besuchte ich zuerst das am Ende desselben hart an 
der Bahn und Berg gelegene Mühlbad, eine im Jahre 1841 gegründete 
K a l t - W a s s e r h e i l a n st a l t, im Besitze des 74 jährigen Dr. Hausner, 
welchen ich aber auch abv'esend und die Anstalt von Gästen leer fand; dieselbe 
besteht aus einem 16 Fenster Front haltenden zweistöckigen Gebäude mit einem 
Anbau für die nach Gräfenberger Art eingerichteten kalten Bäder, welche theils 
von einer Quelle, theils von einem Mühlbache gespeist werden; jenseits der 
Straße befindet sich hart am Rheinufer ein großer Kurgarten mit Rhein 
bädern, deren Holzkästen gerade auf dem Trocknen lagen ; es mag sich hier 
im heißen Sommer für Solche nicht übel wohnen, welche einige Zeit angenehm 
sich restauriren wollen. 
Von hier aus ging ich nach Marienberg, der größten Wasserheil 
anstalt am Rhein. Dieselbe liegt entgegengesetzt am andern Ende von 
Boppard, hinter und über dem Städtchen auf einem ca. 80 Schuh hohen 
Ausläufer des Hundsrücken, der mit Eichen- und Buchenwäldern bewachsen ist. 
Das großartige Gebäude mit Thürmchen war früher ein adeliges Nonnenkloster, 
wurde später in eine Erziehungsanstalt für junge Damen und 1839 durch den 
verstorbenen Dr. insä. Schmilz*) zu einer Kaltwasserheilanstalt ersten 
Ranges umgcschaffen, welche 200 Personen bequem aufnehmen kann; derselbe 
hatte sich vorher durch einen längeren Aufenthalt in Gräfcnberg 
bei Prießnitz zur Ausübung der Wasserheilkunde vorbereitet. Die Groß 
artigkeit und Zweckmäßigkeit in der ganzen Anlage der weitläufigen Ge 
bäude, sowie der Gärten und sonstigen Einrichtungen, ferner die Fülle und 
Qualität des ihm zuströmenden Wassers haben diese Verwandlung in eine 
komfortable Wasserheilanstalt sehr erleichtert. Ein gegen den Rhein vor 
springender Flügel ist ausschließlich zu Wohnungen für Damen bestimmt; in 
ihm befinden sich auch Badeeinrichtungen für dieselben; der größere Theil des 
vierseitigen Hauptgebäudes, welches den innern Hofraum umschließt, ist zu 
Wohnungen für Herren und Familien bestimmt; in ihm liegen auch die Voll 
bäder, das Billard-, Lese- und Consultatiouszimmcr des Arztes und der große 
*) An me rkung. Derselbe hat 1840 und 1841 den„Wasserfrennd oder Allgemeine 
Zeitschrift zur Beförderung der Wasser Heilkunde" und 1842 und 1843 
den „Neuen Wasserfreund als Archiv des Vereins für wisseuschastlichc Begründung und 
Förderung der P r i e ß n i tz'scheu Heilweise" herausgegeben, welche keine weitere Fort 
setzung erlebten. —
	        
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