Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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von Franzensbad angefahren kam, fuhr ich Laura an seinen Wagen und be 
grüßte ihn, auch er war frappirt und meinte: mit dem Ausfahren hätte es 
noch Zeit gehabt; der Hausbesitzer kam auf uns zu und weinte in der Er 
innerung an sein begrabenes Töchterchen, welches seiner nunmehrigen An 
sicht nach bei meiner Behandlung ebenfalls noch am Leben sein könnte!! Der 
Doctor nahm dann eine Abkochung frischgelassenen Urins von Laura vor. fand 
aber keine Spur von Eiweiß; er nahm ferner eine Portion zur mikros- 
kopischen Untersuchung nach Hause mit und schrieb mir am andern Tage: d a ß 
er ihn ga nz normal gefunden! Vom Montag, wo ich ankam, bis zum 
Freitag Mittag, wo ich wieder nach Dresden zurückfuhr, war nun meine Aufgabe 
eine doppelte: zunächst die sorgfältige Behandlung des Vaters, der meine 
Hilfe nun nöthiger hatte und dann die der Tochter, bei welcher der 
Abschuppungsproceß und der Eintritt der Genesung von der schweren Erkrank 
ung zu befördern war. Die Behandlung des Vaters bestand in täglich 2—3 ma 
liger feuchter Einpackung und 5—6 maligem Halbbad, so kolossal war seine 
Fiebcrgluth und die Entzündung des Halses; ich richtete ihm auch einen von 
Franzensbad requirirten Badedicner zum Einpacken und Halbbadcn ab, so daß er 
diese Behandlung dann bis zu seiner Genesung fortsetzen und 10 Tage später ohne 
Anstand nach Dresden fahren konnte, um für seine Familie ein passendes Logis selbst 
zu suchen. Laura ließ ich morgens noch feucht einpacken bis zur guten Erwärmung 
und dann nur kurz im lauen Bade abkühlen und frottiren, Abends vor Schlafen 
gehen blos kühl halbbadcn und dann feuchte Leibbinde für die Nacht anlegen, 
um die Nicrenfunktion in normaler Thätigkeit zu erhalten; ich ging auch täglich 
2—3mal mit ihr in den Waldanlagen spazieren und übergab ihrer Mama bei 
der Abreise am 13. Septbr. folgendes Memorandum: 
1. Solange die Abschuppung dauert, täglich Morgens eine feuchte Ganzpackung auf 
ca. 2 Stunden bis zur guten Erwärmung (nicht Schwitzen), dann kurzes Halbbad von 
18" mit kühlerer Uebergießung und kräftiger Frottirung. 
2. Ueber Nacht stets feuchte Leibbinde anlegen und solche auch bei Tage für den 
Fall, daß eine Trübung bei der Abkochung des Urins sich zeigen sollte. 
3. H a l s u m s ch l a g kann noch einige Tage lang zur Vorsorge über Nacht an 
gelegt werden, ebenso in der Einpackung. 
4. Wenn Abschuppung ganz vorbei, ist ein warmes Bad von 27" R. 10 Min. lang 
mit Abseifuug und Frottirung angezeigt, worauf eine kühle Uebergießung zu folgen hat. 
5. Nach dieser Zeit noch einige Wochen lang jeden Morgen beim Aufstehen und 
jeden Abend beim Niederlegen eine Abreibung des ganzen Körpers mit in 16° Wasser ge 
tauchtem und mäßig ausgerungcnem Leintuchc. 
6. Bezüglich der Diät blcibts bis nach vollendeter Abschuppung und so lange die 
Abendtempcratur nicht auf 37° 0. gefallen ist, bei Obst, kalter süßer Milch und Brod, hernach erst 
soll Mittags eine warme Speise (Gemüse-Milch-Mehlspeise) gegeben werden und hie und 
da etwas Fleisch, wenn Laura wieder mit ihren 3 Geschwistern zusammen ißt, die nicht 
vegetarianisch ernährt werden. 
Seit Anfang Oktober ist H. v. S. mit seiner Familie hierhergezogen und 
er sowohl, wie sein Töchterchen, haben sich von ihrer schweren Er 
krankung wieder gut erholt und befinden sich zur Zeit g a n z w o h l! 
Wie man nun aus vorstehender wahrheitsgetreuer Mittheilung 
ersieht, ist hier durch sachverständige Wasserbehandlung ein junges 
Menschenleben gerettet worden. das bei medizinischer ohne Zweifel, wie 
so viele Andere diesen Sommer in Eger, ebenfalls gestorben wäre!*) 
*) Anmerkung. Wenn der Raum es mir gestattete, würde ich hier gerne zum 
Schluß den gerade nicht Übeln Aufruf mittheilen, den der Bürgermeister der Stadt Eger 
unterm 2. September au seine geehrten Bewohner richtete und worin er ihnen s a n i t ä t s - 
Polizeiliche Vorschriften bez. der an Ausdehnung zunehmenden bösartigen 
Scharlachkrankheit zur strengsten Nachachtung kundgiebt.
	        
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