Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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nomen der Gegenwart!" Ipsissima verba — seine eigenen Worte! 
Als ich nun bei Bekannten in München mich erkundigte, wie ich am besten nach 
Mariabrunn gelangen könne, so sagte man mir, — per Eisenban bis Röhr- 
moos und von da mit Wagen oder Omnibus bis zum Bad; allein ich dürfe 
ja nicht glauben, daß ich gleich vorgelassen würde, denn es stehen immer 
mehre Dutzende beiderlei Geschlechts vor der Türe , die Einlaß begeren und 
da gehe es halt nach der Reihe; es könne also leicht sein, daß ich über 
Nacht bleiben und ein schönes Stück Geld in ircm Gasthof verzeren müsse, 
worauf es a u ch abgesehen sei! Um ihr zu flattiren, wenn ich endlich vorge 
lassen sei, solle ich nach dem Becher von Stabsarzt C u r t i u s fragen rc. Da 
ich meine Zeit nun besser verwerten und meinen Besuch am Freitag Nach 
mittag bis Abends abmachen wollte, um am Sonnabend den Virchow'schen 
Vortrag und Nachmittags den Ausflug nach Bernried nicht zu verpassen, da 
kam ich auf den guten Einfall, meiner Frau Kollega, die gleich mir schon mer- 
mals Geldstrafen wegen unbefugten Curirens erhalten, per Karte meinen 
Besuch vorher anzumelden und darin auf meine Bekanntschaft mit Stabsarzt 
Curtius, der mir wärend meines Ijärigen Aufenthaltes in Brunnthal und Diana 
bad bei München mermals Patienten zur Wasserbehandlung zugewisen und 
auch einmal aus den Klauen der Polizeihermandad mich gerissen, anzuspilen. 
Und das war gut getan! In Röhrmoos angekommen fand ich den Omnibus 
nicht, wol aber einen Zweispänner vor, in den ich mich sofort mit meinem Be 
gleiter, einem alten Münchner Freunde, setzte, der auf den Verlauf dises Aben 
teuers, wie er es nannte, begirig war und mich deshalb aus Jux, wie er sagte, 
begleitete: in M. angekommen, wurde ich vor dem Wonhaus der Frau Doctor 
abgesetzt und vom Kutscher die Treppe hinaufgewisen, wo Jungfer Greti, 
die Adjutantin, alsbald meine Karte in Empfang nam und nach wenigen 
Minuten Wartens in dem von 1 Dutzend verschidenen Kranken angefüllten 
Vorplatz wider erschin und mich zur Verwunderung Aller sofort in das Kaiser 
zimmer fürte (so genannt, weil in demselben Kaiser und Kaiserin von 
Oe st erreich lebensgroß in Oel gemalt in goldenen Ramen an der Wand 
hängen); ich hatte nur wenige Minuten Zeit, mich in dem nicht großen Zimmer, 
das ich einfach möblirt fand, umzuschauen, toobei mir außer den Kaiserbildern 
eine Anzal Glaskolben mit verschiden gefärbter Flüssigkeit auf dem 
Fenstersims auffilen (Uringläser!), da ging die Türe des Nebenzimmers auf 
und — herein trat und schritt rasch auf mich zu — meine Frau Kollega, 
die Doctor-Bäurin, gab mir die Hand und begrüßte mich mit den Worten: 
„Aber das freut mich einmal recht, Herr Doctor, daß Sie so freundlich sind, 
mich zu besuchen; außer Inen hat mich von allen den Herren, die jetzt in 
München so zalreich beisammen sind, Keiner mit seinem Besuche beert, seien Sie 
mir also bestens willkommen!" Sie liß mich dann auf dem Sofa Platz nemen, 
wärend sie selbst sich auf einen Sessel neben mich setzte, dann fing sie von 
Dr. Curtius an, kam auf Dr. Gleich und das Naturheilverfaren 
zu sprechen, und bemerkte, daß sie die feuchten Einwicklungen auch kenne und 
manchmal anwende, ebenso das Schrothische (?) Brod, welches 
sie selbst geniße, wenn's ihr mal nicht ganz richtig im Leibe sei; iren Patienten 
gebe sie aber Abkochungen von unschädlichen Kräutern, weil dos dumme 
Volk eben partout Arznei haben wolle, dabei eine gute gemischte Kost, 
aber keinen Kaffee, Wein, Bier, das Rauchen habe sie auch verboten; sie 
brauche wöchentlich in irem Haushalt so und so viel Pfund Fleisch von Ochsen, 
Käl bern, auch Hünern. Auf meine Frage: ob der Dresdner Hofschauspiler wirklich 
bei ihr gewesen sei, bejate sie und fügte bei, daß bei ihm die Circulation im Unterleih
	        
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