Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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keine behelmte Polizei, so daß ich an ein Schadenfeuer erst nicht recht glauben 
wollte und mich deshalb bald wieder in meine Zimmer begab, um mich an 
zukleiden. Nach etwa einer halben Stunde trieb mich aber die Neugier doch 
wieder an das Küche»fenster, wo ich dann bemerkte, daß sich inzwischen die 
Scene doch etwas veränderte; ich sah nämlich nunmehr einige Feuerwehrleute 
an einer Spritze beschäftigt, auch müßige Polizisten und etliche Dutzend Gaffer 
herumstehen, sowie — Feuer, das aus dem Parterre zeitweise herauszüngelte; 
noch kam mir aber die Sache nicht bedenklich vor, jedoch war mir's unbegreistich, 
warum man eine zweite und dritte Spritze nicht sofort in dem die Lüngsfronte 
des brennenden Gebäudes begrenzenden Garten ausstellte und so das Feuer 
gleich von zwei Seiten mit Wasser bombardirtc und erstickte, statt blos vom 
Eingänge aus mittelst eines einzigen Schlauches das Feuer innen im Hause 
sanft zu bedouchen! Ich ging daher, um mich weiter zu orientiren, aus die 
Straße hinab, suchte zu erfahren, was die Feuerleute zur Sachlage sagten, 
ging dann in die nächste Seitenstraße, um von hier aus in einem Hose einen 
Blick auf die nach dort schauende 22 fenstrige Langseite des brennenden Ge 
bäudes zu bekommen und eilte hiernach wieder in meine Wohnung mit der 
etwas beruhigenden Ueberzeugung, daß das Feuer recht wohl zu dämpfen wäre, 
wenn sofort die beiden auf der Straße müßig dastehenden Spritzen, wie oben 
angedeutet, gegen die freien Seiten des Gebäudes postirt, und gegen sie in 
Thängkeit gesetzt würden! Das geschah aber merkwürdiger Weise nicht und 
so konnte ich das Feuer noch mehrere Stunden lang sich immer mehr ver 
größern und zuletzt den ganzen Dachstuhl des über 100' langen Gebäudes 
verzehren sehen, wobei die Funken in Masse über die Häuser weg in benach- j 
barte Straßen flogen und die. Hitze, zuletzt so groß wurde, daß ich nicht mehr 
zum Küchenfenster hinaussehen konnte! Kurz und gut, die. Art und Weise, wie 
die Feuerwehr sich im vorliegenden Falle benahm, war nicht blos mir, sondcrn 
vielen Nachbarn, mit denen ich sprach, ganz unbegreiflich, ein wahres 
Räthsel und zugleich die Ursache steter Beunruhigung für uns, da man nicht 
wußte, was man eigentlich thun sollte, ob ruhig das Ende abwarten, oder sich 
auf den Abmarsch mit seinem Werthvollsten vorbereiten und das Uebrige, weil 
versichert, den Flammen überlassen. — — — 
Dazu kam nun noch , daß die Mitbewohner des Hauses, namentlich die 
weiblichen Geschlechts, vielfach hin- und herliefen und frugen, was man denn 
machen solle, da die Geschichte zunehmend ein gefährliches Aussehen bekam; 
nächst dem war unser Hauseigenthümer verreist, so daß man auch von dieser 
Seite keinen Anhalt hatte; auch zeigte sich ab und zu eine Bassermann'sche 
Gestalt, die sich erbot — zum Ausräumen (resp. Stehlen), weshalb ich 
ernstlich darauf antrug, die Hausthüre zu schließen und keine fremden Leute 
mehr hereinzulassen! Zürn Frühstück, wie auch zum Mittagessen, war mir aller 
Appetit vergangen und erst gegen Abend, als der Dachstuhl des langen Ge 
bäudes total zusammengebrannt war*) (was bei geschickterer Aufführung der 
Feuerwehr recht wohl hätte verhütet werden können!!), und keine Gefahr 
*) A n merk it n g. Die Hoffnung der Nachbarschaft, es werde diese Lnxusartikel- 
S ch l e ck e r e i f a b r i k nicht wieder aufgebaut, sondern ovr die Stadt hinaus verlegt 
werden, ist leider nicht in Erfüllung gegangen, sondern dieselbe wurde sogar noch um ein 
Stockwerk erhöht und die Dampfesse qualmt jetzt noch mehr wie früher, Jahr aus 
Jahr ein , Tag für Tag ihren pechschwarzen Rauch in die Lüfte hinaus, welcher 
sich im Freien auf die' Pflanzenwelt niederschlägt, wie in den Zimmern auf die Möbel, 
so daß wir nachgerade nicht mehr auf dem gesunden, lieblichen R o s e n w e g, sondern aus 
dem st i n k e n d e n R U tz w c g uns befinden!
	        
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