Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Fieber vorhanden, da helfe die Wasserkur Nichts". Nun fragte 
ich den Herrn: Warum kommen Sie denn aber zu mir gelaufen, wenn Ihnen 
Ihr renommirter Arzt erklärt, daß hier mit Wasser — Nichts zu machen 
sei? Er antwortete: er wolle das von mir auch hören, denn wenn ich ihm 
die Möglichkeit begreiflich machen könne, daß hier mit Wasser doch noch 
Hilfe geleistet werden könne, dann ziehe er diese Behandlung einer Luftröhre 
operation vor! Darauf bat ich den Herrn sich zu setzen, holte das Hahn' sche 
Handbuch herbei, schlug Croup auf und las ihm folgenden Passus vor: 
Schlimmere Grade des C r o u p, die bereits zur A u s s ch w i tz u n g deshäutigen 
Gebildes und also zu gefahrdrohender Verengerung der Stimmritze vor 
geschritten sind, erfordern ein kräftiges Einschreiten, das indeß nicht blos Lösung und Ab 
stoßung des Hautgebildes, sondern gleichzeitig eine Anregung der gesammten Hautoberfläche, 
sowie eine Belebung des Gesammtnervensystems zu bezwecken hat. Dieser Zweck wird am 
bündigsten und sichersten mit der U e b e r g i e ß u n g erreicht. Das Kind wird entkleidet 
in eine leere Badewanne gesetzt und nachdem ihm die Stirne und Schläfen sowie die Brust 
rasch mittels flüchtiger kalter Waschung abgekühlt sind, wird es von hinten und von der 
Seite durch längere Zeit mittels einer großen Gießkanne voll kalten Wassers (12—8°K) 
um den Hals herum übergössen; gleichzeitig hat eine zweite Person fortwährend mittels 
eines öfter in nicht ganz kaltem Wasser zu nässenden Schwammes oder Tuches den Kopf 
zu kühlen und dabei eine dritte Person aufs Kräftigste die Beine zu reiben. Hat man 
eine Vorrichtung, daß das von oben zulaufende Wasser unten fortwährend ablaufen kann, 
so daß das Kind nicht im kalten Wasser sitzen muß, so ist-es noch günstiger. Das Kind 
pflegt gewöhnlich schon bei dem ersten Schreck vor solcher; Uebergießung sich zu räuspern und 
mit einem heftig ausgestoßenen Athemzuge das die Stimmritze verengende Hautgebilde von 
sich zu geben; sicher aber erfolgt doch die Abstoßung nach einiger Dauer der Uebergießung, 
nachdem durch die erfolgte Abkühlung des Kehlkopses derselbe sich zusammenzieht und die 
Stimmritze also wieder erweiterten Umfang annimmt. Selbstverständlich hat solche Ueber 
gießung nicht allzulange zu dauern, und ist sofort zu unterbrechen, nachdem der Zweck der 
Lösung der kranken Hautgebilde erfolgt ist; die Hautreizung ist durch die der Uebergießung 
nachfolgende kräftige Abreibung noch zu erhöhen und die Wiedererwärmung und Fieber 
ermäßigung mit der Rückkehr in-s' Bett ■ ruhig zu gewärtigen. Die Neubildung weiterer 
Hautfetzen sucht man durch fortgesetzte Anwendung von kühlenden Umschlägen um den Hals 
zu verhindern; sie ist indeß, da mit der Hautreizung und dem Nachlaß des Fiebers in der 
Regel auch die Entzündung ihre zweckmäßigste Ableitung und Ausgleichung gefunden hat, 
selten mehr zu fürchten. Sollte gleichwohl das Fieber abermals höheren Grad annehmen, 
so wäre ihm durch Anwendung einer Einwicklung zu begegnen; erneuerte hochgradige An 
fälle des Hustens jedoch würden der Anordnung einer abermaligen Uebergießung rufen. — 
„Schon eine normale Mesenterialschlagader der Feuerkröte — sagt I. v. Müllerin seiner 
Physiologie — zieht sich durch Einwirkung des kalten Wassers binnen 10—15 Minuten um 
das 2- bis Zfache ihres Durchmessers zusammen; bei den Capillaren treten ähnliche Ver 
hältnisse und bisweilen selbst in noch größerem Maßstabe ein." — Man wird daher begreifen, 
daß eine andauernde, kräftige und rasch ausgeführte Abkühlung des Kehlkopfes, 
wie sie mit der U e b e r g i e ß u n g sich bietet, die günstigste und sicherste Heilanzeige für 
den Croup ist. Bedenken und Gefahr ist mit ihr absolut keine verbunden, wenn sie 
mit den eben angeführten Vorsichtsmaßregeln gehandhabt wird. Fleißiges Trinken von 
kaltem Wasser in kleinen Zügen unterstützt immer die Wirkung der Uebergießung; es ist 
darum vor, mit und nach ihr zu befolgen. Die den Croup etwa begleitenden Erscheinungen, 
andauernde Congestionszustände, Stuhlverhaltung re. werden mit den entsprechenden An 
wendungsformen , kühlenden Umschlägen auf f den Kopf, ableitenden Fußabreibungen, 
Klystieren re. behandelt. 
Begreifen Sie nun, daß bei Ihrem kranken Kinde mit Wasser doch noch 
etwas zu machen ist, auch wenn kein Fieber vorhanden ist? Darauf er 
widerte mir der Herr, daß er dies allerdings begreife und mich deshalb auch 
nunmehr ersuche, 'sofort mit ihm zu gehen und sein Kind in Behandlung zu 
nehmen. Gemach — sagte ich; zunächst kann ich nicht nur so aus meiner 
Sprechstunde davon laufen und zweitens habe ich keine große Lust, mit den 
beiden Doctoren in Collision zu kommen, die gegen Abend den Luftröhrenschnitt 
vornehmen wollen! Mit dieser Operation hat es gute Wege, lautete die Ant 
wort, wenn Sie das Kind inzwischen retten können. Gewitzigt durch manche
	        
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