Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

fördert wird und so doch eines Tages das Facit — eine Besserung sein 
muß, zumal wenn, wie hier, Patientin noch in gutem Alter steht und eine gute 
Vergangenheit besitzt, auch kein krebsartiges Leiden vorligt. Summa Summarum 
sagte ich meinem Landsmann unverholen, daß ich an Stelle der Patientin 
nochlangenicht verzweifeln, sondern ruhig mit der Wasserbehandlung f o r t - 
machen, keinenfalls aber mir kunstgerecht die Beine absäbeln lassen 
würde! Darauf fragte mich derselbe, was ich für die Zukunft vorhabe, ob ich 
bald nach Stuttgart zurückkeren oder auch disen Winter noch in der Schweiz 
zubringen werde. Meine Antwort lautete, daß ich mein Logis in St. Gallen 
bereits bis Ende October gekündigt habe und am 1. November nach Stuttgart 
zurückkeren werde, den Winter daselbst verleben und dann im Frühjar höchst 
warscheinlich nach Gräfenberg gehen wolle, um bei Prietznitz und Schroth 
weitere Kenntnisse und Erfarungen zu sammeln. 
Inzwischen war es spät geworden, so daß ich es an der Zeit fand, mich zu 
verabschiden, wobei mein Landsmann äußerte: „Ich bleibe morgen noch hier 
und besuche Sie Vormittags, um noch Einiges mit Inen zu besprechen , was 
ich erst noch beschlafen will." Bei disem Besuche andern Tages sagte mir der 
selbe: „Ich habe mir die Sache Jtn und her überlegt und bin zu dem Ent 
schluß gekommen, daß ich meiner L-chwester nach Herrenalb schreiben werde, sie 
solle sofort einpacken und zu mir nach Stuttgart kommen, wo sie in meiner 
Wonung bequem logiren kann; wenn Sie dann dort angelangt sein werden, so 
haben Sie die Güte, mich gleich andern Tages zu besuchen, um meine Schwester 
kennen zu lernen; wenn Sie dann nach Besichtigung des Beinleidens Lust 
haben, ire Behandlung zu übernemen, dann werde ich ihr den Vorschlag 
machen, den Winter über bei mir ganz kostenfrei zu bleiben, und sich Jrer 
Behandlung anzuvertrauen. Gebe Gott, daß es Inen gelingen möge, die 
Patientin wider gesund herzustellen, damit diselbe von ihren Krücken wider 
befreit wird und ich die Vorwürfe der verdammten Wasserkur vom Halse 
krige!" 
Da bei diser Sache gar Nichts riskirt war, so nam ich keinen Anstand, 
meinem Landsmann die Hand d'rauf zu geben und ihm zu versprechen, was er 
von mir begerte; auf dem Wege zur Post, wohin ich ihn bei seiner Abreise 
noch begleitete, machte er mir dann das Compliment, daß ich ihm nicht vor 
komme, wie Einer der übergeschnappt sei, was er von mir in Stuttgart schon 
einige male vernommen habe, weshalb auch bereits einige Aerzte daselbst ire 
Patienten vor dem Gebrauch der „Wasserkur" warnten, auf daß es inen 
nicht gehe, wie dem armen W. —! 
Ich mußte hell auflachen^, als ich das vernam, denn wenn auch einige 
Feler im Anfang meiner Behandlung in H. vorgekommen, welche den gereizten 
Zustand meiner Kopfnerven statt zu beruhigen, noch mehr steigerten, weshalb ich 
dann im Juli 1850, als ich das merkte, sofort Herrenalb verliß und nach 
Buchenthal in der Schweiz mich begab und von da nach ein paar Monaten 
nach St. Gallen zur weiteren Selbstbehandlung zog, so war doch nicht das 
Geringste vorgefallen, was zu einem solchen verleumderischen Gerede gegrün 
deten Anlaß hätte geben können. 
Ich bin allerdings k o p f k r a n k meist durch Schuld der Aerzte, das weiß 
ich wol, sagte ich nun zu meinem Landsmann, aber noch lange nicht durch 
die Wasserkur übergeschnappt, im Gegenteil gerade durch dieselbe 
jetzt wesentlich ruhiger, so daß ich seit 6 Monaten noch wöchentlich 3 englische 
Stunden genommen neben meinem andern Studium, das den Kopf doch auch 
in Anspruch nimmt und mein Engländer ist mit meinen Fortschritten zufriden
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.