Volltext: Der Naturarzt 1878 (1878)

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Nachtrag M Nikli'fche» Artikel in vor. Nummer. 
Ueber falsche Anwendung von Dampfbädern in fieberhaften 
oder hitzigen Krankheiten. 
Vom Herausgeber. 
Im Juli 1869 kam um die Mittagsstunde ein angeblicher Schüler des 
verstorbenen Dr. snr. M e i n e r t eilends zu mir gelaufen und bat mich, ihn doch 
sofort in ein Haus zu begleiten, wo ihm die Wasserbehandlung eines am 
Scharlach erkrankten und von zwei Medizinern bereits aufgegebenen 
Mädchens übertragen worden sei; er wünsche nämlich meine Ansicht darüber 
zu hören, was hier noch zu machen sei, da er nun ebenfalls nicht mehr weiter wisse 
und das Kind auch für verloren halte. Ich ließ mir von ihm sofort mittheilen, 
wie er das Kind beim ersten Besuche gefunden und was er darauf mit 
ihm gethan habe und versprach dann, gleich nach Tische in der sehr ent 
fernt von mir gelegenen Wohnung des Fabrikanten M. mich einzufinden. 
Dies geschah — und was fand ich? Eine ganz auffallende Unordnung in 
dem sehr geräumigen Zimmer, worin das Kind lag, ein Beweis, wie toll hier 
im Heilsdrang gewirthschaftet worden sein mußte. Ich besah und untersuchte 
das Kind am ganzen Leibe und gab dann dem jungen Manne einen Wink, 
mit mir in den Garten hinunterzugehen, um ihm da meine Ansicht unter 4 
Augen auszusprechen, nachdem ich vorher den besorgt mich anblickenden Eltern 
blos gesagt, daß ich mich in die von Herrn M. eingeleitete Wasserbehandlung 
Bemerkung bezüglich der umstehenden Votivtasel. 
Herr vr. med. Oidtmailll, der wackere Mitkämpfer im Streite gegen das Mittelalter- 
liche deutsche Reichsimpfzwanggesetz hat mir kürzlich ein längeres Manuseript mit der 
Ueberschrift: Die Kunst, pockenkranke Menschen lege artis - u tu jit bringe n oder 
die Purgir-, Aderlaß- und spanische Fliegentortur" — zum Abdruck 
im N.-A. eingesandt, in welchem er die Schilderung der tollen medizinischen Be 
handlung von Pockenkranken im vorigen Jahrhundert sich zum B o r w u r f ge 
macht hat. Er har das darin Mitgetheilte nicht etwa a 1a L ü g e n p e t e r Dr. Thi- 
lenius (siehe Votivtafel) aus dem eigenen Kopfe e n t st e l l t niedergeschrieben, sondern dabei 
gedruckte alte Bücher, welche damalige Mediziner selbst verfaßt haben, wortgetreu 
benutzt. Eines derselben ist betitelt: „Briefe des Dr. F. Freind, 1720 lateinisch ge 
schrieben an Dr. Mead über die Purgirmittel im Pockenfieber, Rotterdam" ; ein zweites: 
Das allgemeine Todten der Pockenkranken im vorigen Jahrhundert durch die Chirur 
gen mit Auszug aus einem 1730 erschienenen Schriftchen des Piof. Dr. Löbern, bet.: 
„Gründliche Anweisung zu einer glücklichen Blatternkur", worin hauptsächlich tüch 
tiges Aderlässen und Brechmittel empfohlen sind, damit das schlechte Geblüte 
herauslaufe!! 
Herr Dr. O i d t m a n n will damit beweisen , daß die große Sterblichkeit unter den 
Pockenkranken im vorigen Jahrhundert nicht in der verschrieenen Gefährlichkeit der 
Krankheit selbst und dem Ungei mpft sein a 1a Dr. I e n n e r mit K u h p o ck e n g i f t 
liege, sondern großentheils in der unsinnigen damaligen medizinischen Behandlung 
m i t Aderlaß, Brechmittel re. bei geschlossenen Fenstern, dicken Federbetten, heißen Getränken, 
wie auch in der damals üblichen S ch u tz i m p f u n g m i t menschlichem Blattern 
gift, welche Manipulation Jnoculation genanltt wird, und heutigen Tages streng 
verboten ist! 
Ich habe den Artikel leider zurücksenden müssen, weil viele meiner Leser, wie sie mir 
schreiben, über dieses Thema nun genug und übergenug gelesen haben, und fürder nur noch 
selten etwas Wichtiges über diesen Gegenstand in kleinen Artikeln geliefert wünschen!
	        
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