Volltext: Der Naturarzt 1877 (1877)

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der Daumen fest in die Hand eingeschlagen. Während des ganzen Anfalles ist 
die Respiration durch Krämpfe der Respirationsmuskeln schwer beeinträchtigt, 
der Herzschlag beschleunigt, die Haut schwitzend. 
Oft läßt der Kranke Stuhlgang und Urin unter sich gehen, seltener stellen 
sich Erectivnen und Pollutionen ein. Das Bewußtsein ist während der 
ganzen Dauer der Convulsionen so vollständig erloschen, daß der Kranke, 
selbst wenn er gegen den glühenden Ofen oder in's Feuer fällt, so daß seine 
Glieder verkohlen, nicht zu sich kommt und keinen Schmerz verräth! 
Nachdem der Anfall eine bis 10, höchstens 15 Minuten gedauert, erlischt 
er entweder a l l m ä h l i g, indem die Zuckungen schwächer und schwächer 
werden und endlich aufhören, oder er bricht plötzlich ab, so daß auf die 
krampfhaften Contractioncn mit einem Male eine vollständige Erschlaffung 
der Muskeln folgt, sehr oft beschließt eine lange, seufzende Exspiration den 
Anfall, seltener Erbrechen, Ausstößen, Abgang von Blähungen oder eine reich 
liche Stuhlentleerung. Gewöhnlich verfallen die Kranken unmittelbar nach dem 
Anfall in einen tiefen Schlaf; weckt man sie aus demselben, so wissen sie 
nicht, was mit ihnen vorgegangen ist, auch können sie sich schwer darin 
zurechtfinden, daß sie z. B. in einem fremden Zimmer sind, im Bette liegen 
oder verletzt sind, auch wünschen sie dann blos, daß man sie ruhig weiter 
schlafen lasse und am andern Tage sind sie daun zwar noch etwas angegriffen, 
aber doch meist wieder leistungsfähig. Von diesem Verlauf eines gleichsam 
normalen epileptischen Anfalles giebt es aber noch sehr verschiedene 
Abweichungen, namentlich in Bezug auf die Folgezustände, die ich 
aber hier übergehen will. 
Die Anfälle treten sowohl bei Tage wie auch bei Nacht ein und 
es gilt die nächtliche Epilepsie für besonders schlimm und hartnäckig; die 
Pausen, in welchen die Anfälle aufeinanderfolgen, sind sehr verschieden 
und wo dein e r st e n Anfall in einiger Zeit kein zweiter folgt, liegt auch 
keine Epilepsie vor (siehe oben chronische Krankheit), sondern die akute 
Form, Eklampsie genannt, über die weiter unten die Rede sein wird! 
Der Ausgang der Krankheit in Genesung ist sehr selten, namentlich 
unter staats heilkundiger, approbirter Behandlung mit dem ganzen 
Arsenal der Giftbude „Apotheke", denn sonst würde man nicht Jahr aus 
Jahr ein in den öffentlichen Blättern Anpreisungen von Epilepsiegcheim- 
mitteln lesen (s. unten)! 
Und was wissen nun die Herren Staatsheilkünstler über die Ursachen 
und das Wesen dieser räthselhaften Krankheit? 
Prof. Di. F. v. Niemeyer sagt: wir dürfen es als erwiesen an 
nehmen , daß im epileptischen Anfalle die Erregung der motorischen 
Nerven, welche sich in den Convulsionen ausspricht, durch die me- 
dulla oblong ata (der Verbindungstheil zwischen Gehirn und Rückenmark) 
und die an der Basis gelegenen Gchirntheile eingeleitet wird; der 
jenige Zustand der msänlla nun, in welchem sie die aus ihr entspringenden 
oder sie durchlaufenden motorischen Nerven in die heftigste Erregung versetzt, 
verdankt wahrscheinlich verschiedenen Einflüssen seine Entstehung. Sehr 
schwer zu erklären ist cs, daß bei der Epilepsie nicht anhaltende krank 
hafte Erregungszustände in den motorischen Nerven bemerkt werden, sondern 
daß diese nur in einzelnen Paroxysmen auftreten, welche durch oft 
sehr lange Intervalle von einander getrennt sind. Soll man sich diese Er 
scheinung daraus erklären, daß die msänlla nur zeitweise in jenen gereizten 
Zustand geräth? Dürfen wir die Ganglien derselben mit einer Leidener
	        
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