Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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schädigen könnte? Diese Geheinrnißkrärnerei gleicht auf ein 
Haar den Kirchlichen Concilien, man entscheidet über die höchsten Inter 
essen der Menschheit int er camera und der beschränkte Laienverstand hat 
nur Amen dazu zu sagen! Eine Abhilfe thut dringend noth und zwar dadurch, 
daß die Hygieine wenigstens auf allen höheren Schulen gelehrt werde, damit in 
den Gemeinden gebildete Laien selbst die Gesundheitspolizei in die Hand 
nehmen können, die Aerzte aber, soweit sie nicht besondere Vertrauenspersonen 
sind, sich dem Heilgeschäfte ausschließlich widmen! 
Nachschrift. 
Eben lese ich die Rede Virchow's in Breslau über Wunder. Es ist 
jedenfalls recht wahr, was er über die stigmatisirte JungfrauLateau 
sagt, aber hat nicht auch die Medizin ihre Dogmen und Wunder, die an 
Absurdität den kirchlichen nichts nachgeben und ebenso „tendenziös" sind? 
Ich weiß nicht, ob Virchow als Arzt zu den Orthodoxen oder Fortschritts 
männern zählt, aber im Allgemeinen haben die Priester Aeseulaps, so lange 
Apotheken und I m p^f u n g bestehen, nicht das Recht, ihren geistlichen 
Collegen Betrug und Schwindel zum Vorwurf zu machen, sie haben 
vollauf vor der eigenen T h ü r e z u kehren!! — Z. — 
Nachschrift der Redaction. 
Vorstehenden Anfsatz sandte nur der Herr Verfasser schon im vorigen Jahre zum 
Abdrucke ein; ich habe damit aber zurückgehalten, um ihn mit sammt dem Jmpfgesetz zu 
einer Zeit zu veröffentlichen, wo dasselbe wirklich in Kraft tritt. Dieser Moment ist jetzt 
leider gekommen. Das deutsche Jmpfgesetz ist ein wahres parlamentarisches Daüaär- 
geschenk und die Zeit wird sicher kommen, wo diejenigen, welchen wir es zu verdanken 
haben, mit Schaudern auf ihre grausige That zurückblicken und reuig ihr pater peccavi 
anstimmen werden, aber leider erst, nachdem Millionen Deutsche dadurch an ihrer 
Gesundheit geschädigt worden, Tausende um ihr Leben vor der Zeit ge 
kommen sind, gerade so wie es im vorigen Jahrhundert durch die anfangs ebenfalls ge 
priesene und später wieder streng verbotene Inokulation der Blattern geschehen ist! 
Aber das Verhängniß will es nun einmal so, daß die Menschen erst auf Umwegen zur 
Wahrheit gelangen und nach Schiller ist der schrecklichste aller Schrecken für den Menschen 
der Mensch selbst in seinem Wahne, hier für das deutsche Reich der Mediziner 
vr. Loetoe-Calbe, ein zweiter Kinder-Herodes, in seinem Jmpftvahne! —^ 
Ich habe der Jmpffrage, resp. Impfung und Wiederimpfung, als einer sehr- 
wichtigen medizinischen (aber nicht sanitären!) Maßregel, angeblich zur Verhütung und 
Ausrottung, mindestens Abschwächnng der Menschenblattern, von Beginn meiner Redaction 
des „N.-A." an alle Aufmerksamkeit geschenkt und gleich im Jahrgang 1871 einen aus 
führlichen Artikel über diePocken und die angeblichen Gründe für die Schutzpocken 
impfung von Seiten der Staatsheilkunde und der durch sie beeinflußten Behörde gebracht, 
sowie die allöopathische, homöopathische und physiatrische Behandlung derselben 
mitgetheilt, welch' letztere ich hier nochmals kurz wiederholen will, da inzwischen viele 
neue Abonnenten eingetreten sind, welchen deren Kenntniß wünschenswerth sein dürfte, 
zumal ja laut vielfältiger Erfahrung und Statistik, Vaccination und Revacci- 
nation — eben doch keinen absoluten Schutz vor Pockenerkrankung gewähren, ja 
im Gegentheil nach neueren Anschauungen die Pockenkrankheit dadurch gerade 
zu einer stationairen Seuche bei uns gemacht werden wird!! Also aufgepaßt! 
Wacht am Rhein, in's Gewehr treten! Die Pocken kommen nun erst recht durch 
Impfzwang und RevaecinationU! (Siehe unten: Lämmerimpfung!) 
Die physiatrische Behandlung der Menschenpocken. 
Die Variola beginnt meistens mit Schüttelfrost, welchem bald andauernde 
Hitze folgt, der Puls ist voll und fchncllgehend, man kann oft 100—120 Schläge 
in der Minute zählen; die Körpertemperatur dabei sehr gesteigert, oft sogar 
40—42° 0., das Gesicht gcröthet, die Halsschlagadern klopfen gewaltig; der 
Kranke hat heftigen Durst, aber keinen Appetit, klagt über Kopfschmerzen,
	        
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