Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

den Kleinen zur Beruhigung beibringen zu lassen. Wissen denn die Mütter 
nicht, sagt Vers., daß sie damit ihren Kindern Gift eingeben, daß sie dadurch 
das ohnehin schwache Leben untergraben? Schreit das Kind aus irgend einer 
natürlichen Ursache, so ist diese leicht zu ermitteln und bei guten: Willen auch 
bald zu heben; ist aber keine natürliche Ursache vorhanden, warum das Kind 
so viel schreit, so wenig Schlaf hat, so besteht diese meist in einer Erkrankung 
des Kindes; diese 51t ermitteln ist Sache des Arztes und nun ist es Pflicht der 
Eltern, dafür zu sorgen, daß dem Kinde Hilfe geschafft werde! — Ganz Recht! 
sage ich; aber nur nicht mit Arzneien, sondern auf dem Wege des Natur 
heilverfahrens — mittelst Wasser, reiner Luft und reizloser Ernährung, 
womit man bei Kindern bei gutem Willen der Eltern immer brillant aus- 
kommt! Darum sind auch Kinder meine liebsten Patienten, aber nur wenn 
sie gescheidte und ehrliche Eltern haben!! Verf. sagt ferner wörtlich: 
„Glaubt ja nicht, daß alle Krankheiten der Kinder unter einem Jahre und noch 
später von Zähnen herrühren müssen; wohl tritt häufig Abweichen beim Zahnen 
auf, aber es ist ein großer Unterschied zwischen dieser ungefährlichen und oft sogar wohl 
thätigen, weil ableitenden Diarrhöe und der oft so g e s ä h r l i ch e n und t ö d t l i ch e n 
in Folge von Verdauungsstörungen und E n t z it ndnng der D a r m s ch l e i m h a n t des 
Kindes, die bald in Form grünlicher mit Wasser vermischter Fetzen, bald mit zerhackten 
dem Eigelb ähnlichen Massen und mit'Schleimabgang auftritt. Ebenso sind die sog. Gichter 
oder Fraise n nur in seltenen Fällen Folgeerscheinungen des Zahnens und meist liegen 
denselben tiefere Ursachen zu Grunde, deren Beseitigung nur der umsichtigen Behandlung 
des Arztes möglich wird, und es genügt nicht, wenn ihr blos da und dorthin wallfahrten 
schickt und beten laßt, ihr müßt auch sonst noch eure Schuldigkeit thun, das heißt 
dem Kinde ärztliche Hilfe verschaffen; ihr müßt dann aber nicht glauben, daß mit einem 
Säftchen oder Mixturchen das Kind schon kurirt werden sönne 2c. — Vielfach hört man 
sagen: „Das Kind zahnt durch die Glieder"; was soll das heißen? Wohl nichts an 
deres, als das Kind leidet an den Gliedern. Aber Zahnen durch die Glieder, das ist 
etwas ganz Unmögliches, Zähne können n i d) t durch d i e Glieder kommen, sondern 
die Erscheinungen, die ihr mit dem Ausdrucke „durch die Glieder zahnen" bezeichnet, 
treten eben zur Zeit des Zahnens auf und sind Zeichen einer schweren Er 
krankung des K in d e s. Diese Krankheit nennt man die englische Krankheit 
(Rhachitis), besteht in einer allgemeinen Erkrankung der Knochen und zeichnet 
sich durch Erweichung und Zerbrechlichkeit der Knochenmasse aus; sie entsteht meist durch 
schlechte unpassende Nahrung und Aufenthalt der Kinder in kalten, dumpfen und feuchten 
Wohnungen oder beruht auf erbliche r Anlage. 
7. Capitel — Impfen und Jmpfstoffnchmen. Hier entpuppt sich 
Verf., wie zu erwarten, als Jmpffrcund und sagt wie befohlen: laßt Euch 
über den Nutzen der Impfung nicht irre machen, denn das Impfen schützt 
allein vor Blattern! 
Dann folgt das Gutachten der mediz. Fakultät in Leipzig und die nach 
drückliche Empfehlung der Rcvaccination bei Alt und Jung, sobald eine 
Pockenepidemie im Anzug und fügt er schließlich noch die Lüge hinzu, daß 
alle Aerzte und Nichtärzte, die früher über die Impfung heidenmäßig 
schimpften, in Württemberg wie in Frankreich, nichts Eiligeres zu thun wußten, 
als in de» letzten Blatterepidemicn sich über Kopf und Hals impfen zu lassen, 
weil sie den Nutzen der Impfung einsehen lernten und sich vor Ansteckung 
fürchteten! Woher weiß denn Verf. dies so bestimmt? Dr. Nittinger in 
Stuttgart hat diese erbärmliche Lüge der Impfer über ihn gebrandmarkt. Verf. 
sagt dann weiter: daß die Blattern im höchsten Grade ansteckend find, ist 
durch die Erfahrung und Wissenschaft längst nachgewiesen und zweifellos; darum 
solle man Blatternkranke abgesperrt halten, Besuche bei denselben vermeiden, 
wie auch die Berührung und Gebrauch ihrer Kleider, Betten; — aber er sagt 
uicht: wozu dann eigentlich geimpft werden soll, wenn man dadurch nicht 
sicher vor Ansteckung ist und im Bewußtsein dieses Schutzes Blatternkranke
	        
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