Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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Wer nach dem bisher Gesagten noch einen Zweifel hegte, der vergleiche die Krank 
heiten, die aus der Onanie entstehen, mit denen, wovon wir hier sprechen, und er 
wird finden, daß es dieselben sind. Ja, es ist eine noch schlimmere Onanie, 
als die Selbstbefleckung, weil sie zugleich dreien Menschen verderblich ist, dem 
Vater, der Mutter und dem armen, im Werden begriffenen Kinde!! Die 
brütende Henne läßt den Hahn nicht zu und sie hat doch weiter nichts zu thun, als 
die Eier zu erwärmen; aber das Weib, dessen Leib den werdenden Menschen beherbergt, 
ihn mit seinem eigenen Blute ernährt, soll ein Spiel treiben, das seine Mutterwürde 
schändet, da es die Frucht unter seinem Herzen an ihrer Entwickelung hindert, 
der Vater ist der erste Feind des Kindes und beide lindes: aus 
Pflicht!! Hat die Welt je größeren Unsinn beherbergt als diesen und darf man von 
Kultur sprechen in einer Welt, die einen so auf der Hand liegenden und so tief ins 
Leben eingreifenden Irrthum so alt werden ließ? 
Wohl ist es ein demüthigendes Gefühl, wenn man diese Wahrheit erkannt hat 
und sein bisheriges Treiben bedenkt, — so ungefähr muß es den ersten Menschen ge 
wesen sein, als sie, nach der mosaischen Beschreibung, das strafende Auge des Herrn suchte, 
und sie sich verbergen zu können glaubten mit ihrer Schmach. Aber alles dieses kann 
den Satz nicht umstoßen, daß der Mensch, wenn er nach den bisjetzt herrschenden Be 
griffen fortlebt, und den Begattungsact zu anderem Zwecke, als dem der Befruchtung 
vollzieht, „ein Onanist" ist und an den Folgen der Onanie zu leiden haben wird! 
Der M a n n leidet dadurch, daß der Aet unfruchtbar ist, direct noch am wenigsten, 
obgleich ein fruchtbarer Beischlaf zu rechter Zeit auch ihm nicht schadet, weil er nichts 
als die naturgemäße Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses ist. Aber auch bei dem 
unfruchtbaren Beischlafe durchläuft er alle Stadien des Zeugungsactes und bei ihm 
kommt es in den meisten Füllen zur Entleerung, wie bei der wirklichen Befruchtung. 
Hier ist aber der Punkt, wo die Naturen sich entzweien, die einmal so ganz in Eins 
zusammengeflossen waren; denn ist nun beim Manne die Entleerung erfolgt, so ist er 
befriedigt und zieht sich abgekühlt zurück, das Weib aber, bis zu einem gewissen 
Grade erhitzt, verlangt jetzt erst vom Manne das höchste Feuer, das ihm nichts nützte, 
selbst wenn er es hätte! So endet der Act, ohne Befriedigung der zuvor gehegten 
Erwartungen, besonders für das Weib. 
Jedes Ehepaar, das sich nicht vorsätzlich selbst täuschen will, wird hierin das Bild 
seiner Ehebettfreuden wieder erkennen. Wird nun dieser vergebliche Versuch fortwährend 
wiederholt, und ist der Mann besonders feurig und stürmisch, so fühlt das Weib bald, 
daß etwas nicht ist, wie es sein soll, daß es nicht im Stande ist, dem Manne das zu 
fein, was er nach den herrschenden Begriffen von ihm erwarten dürfe, und es wird un 
zufrieden, oft unglücklich, oder schiebt die Schuld auf den Mann, hält ihn für un 
fähig, den oft wiederholten Act bis zum Culminationspunkt fortzuführen, es fühlt sich 
unpassend verheirathet, unbefriedigt und ahnt noch immer nicht, daß der Grund seiner 
Unzufriedenheit einzig und allein in der Naturwidrigkeit des unnöthigen Ge 
schlechtsverkehrs liegt. 
Nun kommen Erscheinungen vor, die in außerordentlicher Verschiedenheit auftreten. 
T>ie Kette der Krankheiten, die daraus entspringt, kann unendlich sein, je nach dem 
Grade ihrer Ausbildung. Es entsteht gewöhnlich daraus: die Hysterie, Fehlgeburten, 
schlechte Wochenbetten, Mißvergnügen, Melancholie, Wahnsinn, Zanksucht, 
Auszehrung, Mutterkrebs, frühe Zeugungsunfähigkeit, weißer Fluß, 
Mutterwuth und viele andere Uebel, die wieder Abarten von diesen Krankheiten sind. 
Ja eine sehr gewöhnliche Folge ist die Untreue. Das Weib hofft bei einem Andern 
zu finden, was es bei den Umarmungen seines Mannes zu entbehren glaubt und 
— fällt! — 
Es stellen sich außer den psychischen Erscheinungen in der Regel im ersten 
Stadium der Schwangerschaft Ue bettelten und Erbrechen ein. Man hält diese all 
gemein für eine Folge der Schwangerschaft und glaubt das müsse so sein, die Natur 
des Weibes müsse sich jetzt ganz neu einrichten, wie auf etwas Unvorhergesehenes, Un 
natürliches. Wir seyen aber in der Menstruation, daß die Oekonomie des weiblichen 
Organismus einen Ueberfluß an Säften bereit hält, auf den vorher bestintmten Fall, daß 
er zur Ernährung eines neuen Wesens nöthig sein werde, daß also für alles Nö 
thige im Voraus gesorgt und die Schwangerschaft dem weiblichen Körper nichts 
Fremdartiges ist! Daraus erklärt sich's, warum Mädchen, die in einer schwachen 
Stunde der Natur den Willen lassen, und nicht ferner, von dem Erbrechen Nichts 
wissen, oft im zweiten oder dritten Monat erst von ihrer Schwangerschaft sich über 
zeugen. Jenes Erbrechen ist also nichts Anderes als eine Folge des un-
	        
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