Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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wenn auch von jedem einzeln gewünscht, so doch nicht angestrebt und geschweige 
je erreicht wären. 
Zu der letzteren Classe gehört Schreiber dieses nun allerdings nicht. 
Er war thätig für den Vegetarianismus, lange, bevor es Vegetarianer und 
Vegetarianervereinc gab. Und wenn schon er 1867 sich mit seiner Familie 
bei H. Baltzcr mit in den „ V e r e i n der Vegetarianer" einreihen ließ, 
so geschah dies aus dem einzigen Grunde, um den Verein der Vegetarianer 
dadurch der Außenwelt gegenüber sofort mit „10 Gliedern mehr" auf- 
marschiren zu lassen. Sein Eifer für Ausbreitung der vegetarianischen 
Lehren erfuhr dadurch nicht die mindeste weitere Ermuthigung und Unter 
stützung und bedurfte sie auch nicht. Kurz gesagt: ich dachte n i e besonders 
groß von der Wirksamkeit des Vereins als solchem, wenn der Trieb zur Wirk 
samkeit nicht in den einzelnen Gliedern desselben läge. Die Masse der 
Mitglieder mag sich in gegenseitigem näheren Anschlüsse gehoben und gestärkt 
suhlen, aber wenn nicht eine größere Zahl treibender Geister sich unter ihnen 
findet, so sind und bleiben sie statt nährend — zehrend. Leider ist meiner 
Ansicht nach der Verein der Vegetarianer nach und nach in diesen letzteren 
Zustand der Zehrung, wonicht der Auszehrung hineingerathen. Eine 
Reihe Schmarotzer und selbstsüchtiger Krämerseelen hat sich 
sogar schon seinem kaum auskeimenden Organismus angehängt und seine alljähr 
lichen Vereinstage, die m i t dem letzten Münchner aber erst 6 zählen, gewinnen 
schon ein vollständig klägliches Ansehen. Die Vereinstage sind demnach, 
meiner unmaßgeblichen Meinung nach, Frühgeburten, Fehlgeburten, 
um nicht zu sagen, vollständige Nichtgeburten. Sie sollten nur alle 2, 
3, noch besser nur alle 5 Jahre abgehalten werden! 
Zu diesen meinen Ansichten bin ich nicht etwa erst in München bekehrt 
worden, keineswegs, — ich hatte sie schon vorher! Dem e r st e n Vereinstage 
in Nordhausen Hätte ich gerne persönlich beigewohnt — ich konnte es nicht — 
ich wohnte ihm gleichwohl im Geiste bei. Was ich jedoch nachher darüber 
hörte — und ich hörte von einer ganzen Reihe verschiedener Berichterstatter 
darüber — machte mich schon kühl über den ferneren Verlauf des vege 
tarianischen Vereinswesens und Berlin und noch mehr Frankfurt und 
gar Dresden bestätigten leider meine Voraussichten über den Verein und 
seine nächste Zukunft. Doch — ich wollte selbst sehen und drum ging ich 
nach München und ich kam und ich sah, daß ich leider, leider Recht gehabt 
hatte. Nun denn zu meinem trüben, traurigen Bericht. 
Ich kam im Geleite des Frl. Meta Wellmer am Vorabend des 
Vereinstagcs in München an. Wir fanden in einem kleinen Stübchen 
des „Englischen Cafe" schon die Mehrzahl der Beiwohner des Vereins 
tages versammelt, voran die beiden Mitglieder des Vorstandes, die Herren 
Ed. Baltzer und S. R o s e n t h a l aus Nordhausen. Nach kurzer Be 
grüßung und gegenseitiger Vorstellung, welche etwa 12 H e r r e n und 7 Damen 
aufwies, wurde noch die Form und ungefähre Zusammensetzung des morgigen 
Mittagessens besprochen, sodann noch einige Zeit unter Gesprächen einzelner 
Gruppen den Klängen einer Musik in den offenen Räumen des englischen Cafe 
gelauscht und endlich in's Nachtquartier aufgebrochen. 
Die 8. Stunde des Vereinstagsmorgens fand die Mitglieder bald voll 
ständig in einem kleineren Saale des Augsburger Hofes beisammen. Es waren 
ihrer insgesammt 23, an bekannteren E. Baltzer, S. Rosenthal, 
Schlickeysen, Di. meä. Meyner von Chemnitz, Frl. Meta Wellmer, 
die Engländerin Miß E. Hadwen und meine Wenigkeit.
	        
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