Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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zwangsweise einzuführende Kuhpockenschutzimpfung (Vaccination) 
bei der betr. Gesetzes berath ung leider k e i ne Beachtung gefunden haben, 
so sehen die unterzeichneten Bewohner der Stadt . (und Umgebung) 
aus nachfolgenden Gründen sich bewogen, bereits jetzt schon an den hohen Reichs 
tag mit dem Gesuche zu appelliren, das Jmpfgesetz vom 8. April 1874 
als eine ganz illusorische, ja sehr verderbliche, weil anti-hygiei- 
Nische Maßregel, je halber je lieber wieder zurücknehmen zu 
wollen. 
Motive: 
1) Da über den prophylaktischen Werth der Kuhpockenimpsung die Fach 
männer, d. s. die approbirten Mediziner, selbst gar nicht einig sind, ja säst täglich neue 
gewichtige Gegner -der Impfung gerade aus ihren Reihen auftreten, da ferner die 
jetzt weit über ein halbes Jahrhundert sich erstreckende Erfahrung gerade das Gegentheil 
von dem lehrt, was uns als Resultat der sog. Kuhpockenimpfung (Vaccination) 
und ihrer Wiederholung* (Revacci Nation) angepriesen wurde und noch immer ange 
priesen wird, nämlich: längerdauernden Schutz vor Pockenerkrankung und allmälige sichere 
Ausrottung derselben — trotz mehr als 50jähriger Schutzimpfung fast im ganzen 
deutschen Reich (in Sachsen sind z. B. seit längerer Zeit fast 90 °/ 0 der Bevölkerung ge- 
schutzimpft) traten dennoch wie zum Hohne jener medizinischen Anpreisungen in den letzten 
Jahren die Pocken epidemieartig auf und ergriffen und tödteren mehr Geimpfte und 
Wiedergeimpfte, als Ungeimpfte, wenn man nämlich von der Zahl der Ungeimpften die 
kleinen Kinder wegläßt, die man wegen ihrer zarten Constitution nicht zu impfen, 
d. i. zu vergiften, resp. zu beschützen wagte, die armen Würmer, die doch des Schutzes 
am meisten bedürfen — so scheint uns ohne alle Frage diese mit den Lehren der Physio 
logischen Wissenschaft, welche kein Gift als heilsam anerkennt, im vollsten Wieder- 
spruch stehende medizinische Irrlehre der Kuhpockenschutzimpfung, Tochter der 
jetzt mit schweren Strafen bedrohten, früher medizinischerseits ebenso gepriesenen, 
Menschenpockenimpfung (Jnoculation) — des staatlichen Gesetzschutzes ganz und 
gar unwürdig zu sein und sollte sie je bälder je lieber desselben entbunden werden! 
2) Da die Vaccination also laut statistischer Nachweisung (Keller, Toni rc.) 
keinen absoluten Schutz vor Pockenerkrankung gewährt, die Sterblichkeit an Pocken da 
durch nicht vermindert wird, ja vielmehr ganz im Widersprüche mit dem Gutachten der 
kgl. preuß. Deputation für das Medizinalwesen — wornach keine verbürgten Thatsachen 
vorliegen sollen, welche für einen nachtheiligen Einfluß der Impfung auf die Ge 
sundheit der Menschen sprechen— in der That eine directe Schädigung der Impf 
linge herbeiführt, was bereits durch hunderte von amtlich beglaubigten That 
sachen bewiesen wird, wo vorher ganz gesunde Kinder wie auch Erwachsene durch die 
Impfung an ihrer Gesundheit wesentlich geschädigt wurden, ja Mehre davon in Folge der 
dadurch entstandenen Gesundheitsstörungen gestorben sind, so liegt auf der flachen Hand, 
daß diese zum Hohne aller Wissenschaft wie des gesunden Menschenverstandes staatlich in 
Schutz genommene medizinische ganz imaginäre Schutzmaßregel zum Wohle 
aller Deutschen je bälder je lieber mit einem staatlichen Damnatur belegt werden sollte! 
3) Jnoculation und Vaccination verdanken ihre Entstehung lediglich der Un 
wissenheit der Mediziner, die auf natürlichem Wege die Pocken nicht zu behandeln, durch 
rationelle hygieinische Maaßregeln sie nicht zu bannen verstehen und darum es höchst 
aufgefordert worden, einen Entwurf dazu auszuarbeiten, und theile ihn hier mit und 
stimme der Ansicht Jener bei, welche meinen, daß gerade beim nächsten Reichstag im October 
der rechte Zeitpunkt gekommen ist, im Verein mit den Thierärzten gegen jegliche 
Impfung Sturm zu laufen, also auch gegen das infernalische Gesetz vom 8. April 1874. 
Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes und um wie viel mehr nicht jeder Familienvater 
seiner Kinder! 
Also überall an's Werk, Petitionen aufgelegt und Unterschriften gesammelt und dann 
bei Zeiten nach Berlin geschickt, auf daß die dort tagenden Parlamentsmitglieder des 
Volkes Stimme abermals und abermals in dieser Angelegenheit vernehmen. G. W. 
* Anmerkung. Erst versprach man von nur einmaliger Impfung Schutz für 
die ganze Lebenszeit, jetzt hält man nach einem gewissen Zeitraume (5—10 Jahre) 
schon eine Auffrischung des Talismans für nothwendig, und später dürfte im In 
teresse der Impfer wohl eine noch öftere Wiederholung angezeigt sein, dagegen aber 
im Interesse des Volkswesens — Verdammung dieses unsaubern medizinis chen 
S ch w i n d e lls je eher je lieber!
	        
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