Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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Der Hamburger Anti-Impsimem, 
seine verwaiste ärztliche Vorstandsstelle und die Bewerbung des Medizinal-Rath 
Herrn med. Dr. Richter um dieselbe. 
Vom Herausgeber. 
Motto: Bescheidenheit ist eine schöne Zier, 
Doch kommt man weiter ohne ihr. 
Nach dem Tode des Dr. med. Lafaurie, erließ dieser Verein eine 
Annonce*) in mehre Zeitungen wegen Wiederbesctzung der vakant gewordenen Stelle 
seines Vereinsarztes, dessen Funktion namentlich darin besteht, den Verein und 
seine Bestrebungen der ärztlichen Welt wie dem Publikum gegenüber würdig 
zu vertreten, ferner ab und zu den Vereinsmitgliedern selbst, wie dem dazu ein 
geladenen Publikum belehrende oder referirende Vorträge zu halten, wozu 
namentlich eine für einen großen Saal ausreichende kräftige Stimme er 
forderlich und die Kunst oder Begabung, einen längeren freien Vortrag 
zu halten (nicht abzulesen); es wird dabei ferner zur Bedingung gemacht, 
daß der Bewerber ein approbirter deutscher Mediziner und ein 
radikaler Jmpfgegner ist und wenn er nebenbei noch ein Freund und An 
hänger des modificirten Naturheilversahrens, um so lieber und will 
kommener wird er dem Vereine sein. 
Darauf hin bewarb sich unter Andern auch der bernburg. Med.-Rath 
Herr Dr. med. Richter, zur Zeit in Chemnitz in Sachsen domizilirend, (der 
Verfasser mehrer physiatr. Schriften wie des „ W a s s e r b u ch e s ", des 
Lehrbuches der Naturheilkunde, auch 2 Jahre Mitrcdacteur des 
Journals für Gesnndheitspfl e g e) um diese „Anti-Jmpfvercins- 
vorstandsstelle". Es wurde dann bei mir sub rosa angefragt, ob ich 
diesen Mann für jenen Posten empfehlen könne. Ich habe alsbald geantwortet 
nach bestem Wissen und Gewissen und zwar zunächst in Bezug auf das Glaubcns- 
bekenntniß des Herrn Med.-Rath, daß ich mich billig wundern müsse, wie 
gerade dieser Mann sich um jenen Posten zu bewerben vermöge, der vor 
noch nicht zu langer Zeit in Verbindung mit 23 Chemnitzern und 12 benach 
barten Aerzten in Nr. 78 des Chemnitzer Tageblattes im März 1873 
eine Erklärung**) unterschrieben hat, des Inhalts: 
*) Dieselbe lautete: 
Ein Spezialist für Hautkrankheiten, welcher vermöge seiner Ueberzeugung 
offen als Jmpfgegner aufzutreten sich nicht scheut, würde in Hamburg in verhältniß- 
mäßig kurzer Zeit sich eine sichere Existenz begründen können. Es herrscht in Hamburg 
in der Bevölkerung große Animosität gegen den Impfzwang und der dortige einzige 
Fachmann für Hautkrankheiten, der durch seine Schriften rühmlichst bekannte Syphilidolog 
Dr. msä. Lafaurie, bisheriger Vorstand des Hamburger Anti-Impfvereins, ist 
vor Kurzem gestorben. Der erwähnte Verein, welcyer bereits auf 1200 Mitglieder — meist 
Familienväter — angewachsen ist, würde einen solchen Arzt, der sich aus Ueberzeugung 
den Vereinsinteressen widmet, auf alle mögliche Weise protegiren. Offerte erbittet re. 
**) Anmerkung. Ich bin damals von Chemnitz aus mehrmals aufgefordert worden, 
gegen diese i m p f w ü t h i g e 36 fache Medizinermeute impfgegnerische Episteln loszulassen, 
wovon die eine in Nro. 68, die andere in Rro. 84 am 8. April in demselben Chemnitzer 
Tagblatt erschienen ist, in welch' letzterem ich namentlich die 36 Herren Doctoren und 
Chirurgen aufforderte, einzeln oder Alle miteinander doch den Dr. Schaller'schen 1000 
Dukatenpreis (N.-A. 1873 Nr. 4) zu verdienen, wenn Einer von ihnen oder Alle miteinander 
die Ueberzeugung hegen, daß es möglich ist, die Kuhpockenimpfung empirisch wie wissen 
schaftlich als eine höchst nützliche sanitäre Maßregel zu beweisen, denn mit der 
Jmpflanzette diese Summe (gegen 10,000 Mark) zu verdienen, dürfte doch viel mühsamer 
für sie sein. Dieser ihr medizinischer Bruder, Dr. Schalter, hat 12 volle Jahre hindurch 
schulmäßig das rentable Jmpfgeschäft betrieben und weiß somit so gut, wie sie selbst, was
	        
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