Volltext: Der Naturarzt 1875 (1875)

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und arbeiten zu können, großer Quantitäten Eiweißkörper d. h. der stickstoff 
haltigen Fleischkost; die neuere Physiologie weist aber nach, d a ß dem nicht 
so ist, und ein bekannter Physiolog sagte unlängst in einem Vortrage: 
„Der weit verbreitete Glaube, viel Eiweißkost sei die geeignetste für die Arbeits 
leistung, ist unhaltbar," und fügt noch treffend hinzu: „Man behauptet, unser 
Körper muß mit Eiweißstoffen genährt werden, weil er aus Eiweiß besteht; 
es ist gerade so, als wollte man die Locomotive mit Eisen speisen, weil sie aus 
Eisen besteht." Sv lehrt auch die Physiologie, daß die Eintheilung der 
Nahrungsmittel in plastische d. h. unsern Körper ausbauende, und respi-' 
ratorische d. h. die Athmung befördernde, eine willkürliche ist. Die 
Physiologie sagt weiter: „Wir könnenleben, vonwaswirwolleu." 
Wie weit ist dieser Satz von dem andern, welcher lautet: esset Fleisch, nur 
Fleisch; und schließlich: „Es ist sicher, daß die Verbrennung von Kohlenstoff 
und Wasserstoff (d. h. die Nahrung von Kohlehydraten) mehr Wärme erzeugt, 
als die Verbrennung von Stickstoff (d. h. Fleisch und Ei rc.); also ist für 
die Muskelarbeit die eiwcitzlose Kost viel rationeller, viel 
billiger und g e s u n d er, als die eiweißhaltig e."i 
Daß wir ohne Fleisch und ohne Fleischbrühe leben können, das lehrt also 
die Wissenschaft, das zeigen die sogenannten Vegetarianer und unsere Land 
bewohner, welche (besonders in gewissen Gegenden) fast ausschließlich von Vegc- 
tabilien und von Milch leben. — Daß durch die vegetarianische (fleischlose) 
Lebensweise viele Krankheiten geheilt werden,, wird Ihnen eine bekannte Sache 
sein, weniger vielleicht aber mögen Sie eine Ahnung haben von den Krank 
heiten, die der Fleischgenuß hervorruft. Schon das nicht frische 
Fleisch muß schädlich sein, denn durch den Fäulnißproceß (und das Fleisch tritt 
in Verwesung, sobald es aufhört zu leben) entstehen Stoffe, die unserm Körper 
nur schaden können; auch sagt Dr. S o n d e r e g g e r in seinem schönen Buche 
„Vorposteu der Gesundheitspflege": „Der Dämon der Verwesung spuckt über 
all, wo Fleisch ist." Typhus z. B. kann schon in Folge von Genuß von 
faulem Fleisch auftreten. 
Daß die Fleischkost zu fieberhaften Krankheiten disponirt, wird Niemand 
in Abrede stellen, denn länger fortgesetzte Fleischnahrung vermindert nach 
Uhle und Wagner den Wassergehalt des Blutes, während vegetabilische 
Kost ihn vermehrt. Ein Blut, dem es am nöthigen Wassergehalt fehlt, muß 
fiebererregend wirken. Strom eher, der treffliche Chirurg, nennt die Fleisch 
kost eine erhitzende und an ihre Stelle setzt er die Milchkost, besonders in ge 
wissen Krankheitsfällen. Wird z. B. ein starker Fleischesser und Weintrinker 
von einer Lungenentzündung ergriffen, so nimmt dieselbe meist einen höchst ge 
fährlichen Charakter an. 
In England und in Frankreich, wo der Fleischkonsum ein sehr starker 
ist, ist die Dyspepsie, d. h. die krankhafte Verdauung ungemein häufig; „sie 
hängt" — sagt eine medizinische Autorität — „mit der Küche zusammen und 
ist eine Folge der Magenüberfüllung mit massenhafter Fleischkost und pikanten 
Saucen." Daß reichliche Fleischnahrung und gute Weine Gicht verursachen, 
ist allbekannt. England z. B. ist durch und durch gichtkrank. „Es ist die 
Gicht die Krankheit der Herren" — sagt Friedr. Hoff m a n n, — „lebe als 
Knecht, wenn Du sie verlieren willst," oder — „lebe von 18 Kreuzern täglich, 
und verdiene sie" — sagt Abernethy. Auch die Apoplexie, der Schlag 
fluß, rührt oft von starkem Fleisch- und Spirituosengenuß her, denn durch das 
sogenannte „Krüftiglcben" mit Fleisch u. s. w. werden die Blutgefässe brüchig, 
zerreißen und ergießen das Blut in unsere wichtigsten Organe, wodurch die
	        
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