Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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dem! Und merkwürdig ist es in der That, daß — viele medizinische 
Unterpaschas (approbirte Medizinärzte) renitent geworden sind und sich 
auf das Entschiedenste gegen den Impfukas erklärt haben, 
weil sie von desien angepriesener Schutzwirksamkeit sich noch nicht über 
zeugen konnten, wohl aber über dessen effektive Schädlichkeit kei 
nen Augenblick im Zweifel sind. 
Unter der bereits großen Zahl dieser Jmpfrenegaten (wie ich 
diese Herren med. Doktoren nennen will) steht obenan Dr. Nittinger in 
Stuttgart, welcher wie bis jetzt kein Anderer vor und neben ihm, seit 
mehr als 20 Jahren in einer ganzen Reihe von Schriften mit 
dem unermüdlichsten Fleiße und einer wahrhaft katonischen 
Ausdauer und Beharrlichkeit das ganz Unnütze und Ver 
derbliche der Kuhpockenimpfung zu beweisen sucht. Das Schla 
gendste in wissenschaftlicher Hinsicht ist darin der Nachweis, daß die Ur 
sache des Erlöschens der Blatternseuche mit Beginn des laufenden 
Jahrhunderts und ihr milderer Verlaus im gegenwärtigen nicht in der 
Einführung der Kuhpockenimpfung, welche ja erst viel später 
in größerem Maßstabe stattgefunden hat, sondern in dem Umstande zu 
suchen sei, daß die Jahre 1801—9 eine so hohe Gesammttempe- 
ratur gehabt haben, wie vor und nachher kein Jahrzehnt mehr, indem 
die Erfahrung lehre, daß die Pocken stets häufiger und heftiger nur in 
der kalten Jahreszeit auftreten, dieselbe also ihrer Ausbreitung und 
intensiverem Auftreten am günstigsten, ergo eine wärmere Temperatur 
am ungünstigsten sei. Der Refrain aller seiner Aufsätze-, sein ceterum 
censeo bleibt sodann folgendes: Kuhpockenlymphe sei ein Gift, 
so gut wie die Menschenblatternlymphe, und habe sich evident 
herausgestellt, daß eine Menschenimpfung mit derselben (Homination) 
keinen Schutz gewähre, nur nachtheilig auf die Gesundheit einwirke, 
so sei nicht denkbar, daß die bestialisirte Pockenlymphe, d. h. der 
vom Menschen auf das Thier übertragene und wieder zurückgeimpfte 
Blatternstoff (Vaccination) eine bessere Wirkung hervorbringe, denn Gift 
— bleibe Gift, und Kuhpockenlymphe sei eben ein thieri 
sches Gift, wenn auch ein milderes als Schlangengift, Rotz-, Milz 
brand- oder Speichelgift eines tollen Hundes oder der Schankereiter, den 
man ja auch bereits als Präservativmittel zur Impfung gegen Syphilis 
angewandt habe, aber bald wieder von dieser Idee als einer medizini 
schen Verirrung abgekommen sei, die Vaccination re. sei daher ebenfalls 
nichts mehr und nichts weniger als eine medizinische Verirrung 
und Menschenvergiftung! Bravo! Bravo!! 
Nach ihm will ich Prof. Dr. Bock in Leipzig nennen, wel 
cher durch seine Artikel in der Gartenlaube wie durch sein „Buch vom 
gesunden und kranken Menschen" eine die Grenzen Europas überschrei 
tende Berühmtheit erlangt hat, in hygieinischer Beziehung eine literarische
	        
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