Volltext: Der Naturarzt 1871 (1871)

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zu 300 Gran in 10 bis 14 Tagen) neben der Wasserbehandlung den 
Typhuskranken und mit zweifellosem Nutzen (?) gegeben wird; jedoch be 
merkt Küchenmeister S. 184 sr. Schr. dazu: eine Panaeee (Allheil — 
Wundermittel) sind auch große Dosen von Chinin nicht! 
(Die physiologischen Wirkungen großer Dosen von Chinin sind 
nach Oesterlen's rnateria rneckiea (S. 467) folgende: In großen Dosen wirkt 
das Chinin zunächst örtlich, doch nicht constant als Jrritans auf den Darm- 
traetus und die Schlingwerkzeuge; der Kranke klagt über ein schmerzhaftes Ge 
fühl von Zusammenschnüren, von Trockenheit in: Schlunde, über brennende 
Schmerzen m der Magengegend, öfters entsteht Würgen und Erbrechen, häufiger 
Durchfall, der Complex der Fiebersymptome. — Zugleich aber offenbart sich eine 
ausfallende Störung des Gehirns und besonders einzelner sensorieller Nerven, 
nämlich des Gehör- und des Gesichtsnerven. Es treten so Symptmne ein, welche 
die größte Ähnlichkeit mit denen der N a r k o t i s a t i o n (Betäubung) zeigen, 
Sausen und Klingen in den Ohren, Taubheit, Schwindel, Verdunkelung des Ge 
sichtes, kleine oder'erweiterte Pupille, mit Kopfschmerz und Verwirrung der Ideen, 
selbst wirklichem Verrücktsein, lauten Delirien. Alan hat sogar Coma (Schlaf 
sucht) entstehen gesehen. Zugleich verliert der Vergiftete meistens die Fähigkeit 
zur Ausübung willkürlicher Bewegungen, es entsteht Anästhesie (Gefühllosigkeit) 
der Kautdecken, Muskelzittern, und die äußeren Theile werden kalt, während die 
Pulsfrequenz sich vermindert und selbst Ohnmacht eintritt. Ge 
wöhnlich verschwinden diese Zufälle beim Menschen nach Verfluß > einiger Zeit, 
während kleinere Thiere sterben. Auch beim Menschen können zuweilen Taubheit, 
selbst Blindheit zurückbleiben und in neuester Zeit wurden in Frankreich mehrere 
Todesfälle nach großen Gaben Chinin beobachtet!) 
2) Die Digitalis (rother Fingerhut), 3) Digitalis mit Chi 
nin, 4) Veratrin (weiße Nießwurz), von welchem gesagt wird, daß 
es sich nicht zu so allgemeinem Gebrauche eigne, wie Chinin, und 
Oesterlen' bemerkt dazu, daß sein therapeutischer Werth nichts weniger 
als sichergestellt sei. (Also ein ganz unzuverlässiger Heiliger!) 
Als specifische medikamentöse Mittel, um den Typhus abortiren 
system wieder belebt, so daß es seine Functionen immer mehr der Norm gemäß 
ausüben kann, wodurch eben der Krankheitszustand gehoben und das Leben ge 
rettet wird! — vr. Küchenmeister hat Recht mit seinem Ausspruche: Eine 
Panacee sind auch große Gaben Chinin nicht! Das hat Prof. 
Gietl zu seinem Schmerze bei einem distinguirten Typhuskranken, dem 20jährigen 
Sohne des Banquier Obermarer aus Augsburg, erlebt, der ihm trotz der 
selben (vielleicht auch in Folge derselben?) wegstarb. Mich fragte der Vater 
einige Tage vorher um Rath (ich mar dama s — Sommer 1856— Dirigent der 
Wasserheilanstalt Brunnthal bei München) und war, zufriedengestellt durch meine 
Erklärungen, fest entschlossen, mir den Sohn zur reinen Wasserbehandlung in 
die Anstalt herunter zu geben, wenn seine Frau und Prof. v. Gietl mit ein 
stimmten. Gietl verweigerte es entschieden ■ gab wieder Hoffnung bei seiner 
Chinin- und Wasserbehandlung und der hoffnungsvolle Jüngling, zur. studios. 
Obermaier, starb nach wenigen Tagen dahin —' trotz abedem! Zum ehrenden 
Andenken, daß ihr Sohn der Universi ät München angehört habe, vermachte 
später die Mutter der Alma mater 10,000 Gulden! — Was hätte die Millionärin 
wohl darum gegeben, wenn man ihr ihren Einzigen a m Leben erhalten hätte?
	        
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